Balkanroute wieder populärer
80'000 Menschen auf dem Weg nach Europa

Zwar gilt die Balkanroute für Flüchtlinge und Migranten offiziell als geschlossen. Die Realität sieht anders aus. Nachdem Italien die Überfahrten über das Mittelmeer drastisch reduzierte, herrscht für Schlepper entlang der Balkanroute wieder Hochkonjunktur.
Publiziert: 30.06.2019 um 04:44 Uhr
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Aktualisiert: 01.07.2019 um 07:55 Uhr
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September 2015: Flüchtlinge versuchten, nach Ungarn einzureisen. Offiziell ist die Balkanroute für Migranten und Flüchtlinge seither geschlossen. Doch die Realität heute sieht anders aus.
Foto: Getty Images

Für viele ist sie eine Heldin, für andere eine Verräterin. Ihre letzte Rettungsaktion könnte Carola Rackete, der Kapitänin des deutschen Rettungsschiffs «Sea-Watch 3», mit mehreren Jahren Knast bezahlen müssen. Italien ist empört über die Aktion, andere Länder kritisieren die Festnahme scharf.

Dabei gibt es konkrete Zahlen, dass wieder mehr Flüchtlinge und Migranten die Reise nach Europa wagen - und dass insbesondere die Balkanroute wieder löchriger und populärer ist.

Nachdem Italien die Überfahrten über das Mittelmeer praktisch stoppen konnte, ist die Reise über den Landweg des Balkans wieder attraktiv geworden. Zwar gilt der Fluchtweg offiziell als geschlossen, die Realität sieht anders aus. 

Brennpunkt Bosnien

Gerade im Schlüsselland Bosnien gab es dieses Jahr 76 Prozent mehr Ankünfte als noch 2018. Das besagt eine aufwendige Recherche des österreichischen Online-Magazins «Addendum».

Allein Ende Mai und Anfang Juni 2019 befanden sich geschätzte 80'000 Personen zwischen dem Bosporus und irgendwo entlang der Balkanroute, schreibt das Magazin. Dies würden Zahlen von Österreichs Taskforce Migration belegen.

So werden an einigen Stationen entlang der Balkanroute deutliche Anstiege im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Konkret heisst das rund 155 Prozent mehr Migranten zwischen Griechenland und Nordmazedonien, 76 Prozent mehr im Schlüsselland Bosnien und 31 Prozent mehr in Kroatien.

Behörden interessieren sich nicht ernsthaft

Oder das permanent überfüllte Aufnahmezentrum Fylakos «in einer verlassenen Ecke Griechenlands»: Dort gebe es Unterkünfte für 300 Menschen, doch der Platz sei viel zu knapp angesichts der vielen neuen Migranten.

Um das Lager zu entlasten, würden die Migranten einige Tage nach ihrer Registrierung zur Weiterverteilung in öffentlichen Bussen nach Thessaloniki geschickt  - unbeaufsichtigt.

Die Behörden würde dann oftmals erst Stunden nach der Ankunft der mit Migranten gefüllten Busse am Busbahnhof erscheinen. Bis dann sind die Fahrgäste längst über alle Berge verschwunden: unterwegs in den Norden, in Richtung Mitteleuropa.

Stimmung kippt

Jetzt kippe auch die Stimmung in Bosnien, so «Addendum». Anfangs habe sich vor allem die bosnische Bevölkerung hilfsbereit und solidarisch mit den Migranten und Flüchtenden gezeigt. Vor nicht so langer Zeit waren es die Bosnier selbst, die in Europa Zuflucht suchten.

Heute seien die Beziehung zwischen Einheimischen, Behörden, Hilfsorganisationen und Migranten äusserst angespannt.

Nicht selten würden für die Weiterreisen auch Grenzpolizisten bestochen. Unter Migranten sei das ein offenes Geheimnis. Wer der Grenzwächter jedoch bestechlich ist, das wissen – meistens – nur die Schlepper. (kes)

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