Sebastian Kurz (34) ist stolz auf sich. Sein Land bekomme nun 199'000 Impfdosen statt 139'000, das sei «ein solides Ergebnis». So berichtete der Ösi-Kanzler von Verhandlungen zur Verteilung von zehn Millionen Dosen Biontech/Pfizer-Impfstoff. Zwei Wochen lang hatte die EU darum gestritten.
Doch die angebliche Erfolgsgeschichte ist in Wahrheit eine Niederlage für den österreichischen Regierungschef. Und zwar aus folgenden 5 Gründen:
1. Seine Blockade ist gescheitert
Die EU erhält im zweiten Quartal ein Sonderkontingent von zehn Millionen Dosen Biontech/Pfizer-Impfstoff. Weil einige EU-Länder wegen Astrazeneca-Lieferproblemen in Sachen Impfungen hinterherhinken, wollte die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft drei der zehn Millionen Impfdosen für sechs besonders bedürftige Länder reservieren: Bulgarien, Kroatien, Estland, Lettland, die Slowakei und Tschechien. Die übrigen sieben Millionen Impfdosen sollten wie üblich nach Bevölkerungsanteil unter allen 27 Staaten verteilt werden.
Kurz lehnte das ab – obwohl Österreich schon knapp 4 Prozent mehr Personen vollständig geimpft hat als etwa Bulgarien.
Nach wochenlangen Verhandlungen einigte man sich auf einen pragmatischen Ansatz. Deutschland und andere Staaten spenden Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland und der Slowakei nun gut 2,8 Millionen Dosen Corona-Impfstoff, damit sie bei der Impfkampagne nicht abgehängt werden. Allein Deutschland verzichtet auf eine halbe Million Impfstoffdosen. Nur Österreich, Tschechien und Slowenien machen nicht mit.
2. Ösi-Partner Tschechien kommt sogar schlechter weg
Der Grund für die Ablehnung sei, dass Tschechien nicht die nötigen Impfdosen erhalte, behauptet Kurz. Doch das stimmt nicht: Der portugiesische Vorschlag sah eine Extrazuteilung für Tschechien vor, die nun weg ist.
Warum das für Prag günstiger erschien, ist unklar.
Nun allerdings springt Österreich in die Bresche. Wien werde Prag 30'000 Impfdosen zukommen lassen, teilte Kanzler Sebastian Kurz am Freitag mit.
3. Brüssel ist sauer
Kurz' Solidaritäts-Weigerung verschlechtert das Verhältnis mit Brüssel. Schon vor Wochen hatte der Kanzler verkündet, er werde sich beim Impfstoff nicht mehr auf die EU verlassen. PR-wirksam reiste er zum Schmieden einer Impfallianz nach Israel und kündigte den Kauf des russischen Vakzins Sputnik V an.
In Brüssel sieht man dies mit Befremden. Ein EU-Diplomat machte sich recht undiplomatisch Luft: «In dem Robin-Hood-Kostüm von Kurz und seinen beiden Freunden steckte dann doch nur wieder der finstere Sheriff von Nottingham. Sie nehmen Impfstoffe, teilen aber keine Impfstoffe.»
4. Kurz hat sich verzockt
Grundsätzlich gilt: Jeder der 27 Staaten hat Anspruch auf einen Anteil nach Bevölkerungsstärke. Das sind die 199'000 Dosen, die Österreich nun auch bekommt, weil es eine Spende verweigert.
Allerdings hatte Kurz den Zoff offenbar auch angefangen, um mehr für sich rauszuschlagen. Zu Beginn des Verteilungsstreits hatte er auf rund 400'000 Dosen gehofft.
5. Die Impfstoffdosen sind nur Peanuts
Die Sonderlieferung von Biontech/Pfizer ist mit 10 Millionen Impfdosen im Vergleich zur erwarteten Gesamtlieferung von 360 Millionen Impfdosen für die EU im zweiten Quartal eher klein.
Hätte Kurz sich an der Solidaritätsaktion beteiligt, hätte er kurzfristig auf 60'000 Impfdosen verzichtet – das reicht gerade mal für 30'000 Menschen beziehungsweise 0,3 Prozent der österreichischen Bevölkerung. Dazu kommt: Weil Kurz seinen Verbündeten Tschechien nun auf eigene Faust unterstützt und 30'000 Impfdosen nach Prag schickt, ist sein «Gewinn» im Impf-Zoff sogar nur 30'000 Dosen fürs eigene Land. Das reicht also nur für 15'000 Menschen.
Nötig gehabt hätte Österreich den Zoff nicht. Mit knapp 17 Impfdosen auf 100 Personen beziehungsweise 4,8 Prozent vollständig Geimpften steht Österreich etwa so gut da wie die Schweiz oder Deutschland und gehört innerhalb der EU klar zu den Spitzenreitern.