Mit einem Hemd und ihren blossen Händen tötete die Mexikanerin Roxana Ruiz (23) vor zwei Jahren ihren Vergewaltiger. Sie hatte den Mann zuvor in einer Bar kennengelernt. In der Nacht bot er an, sie nach Hause zu begleiten, und bat, bei ihr übernachten zu können, weil sein Heimweg zu lange sei. Sie liess ihn auf einer Matratze am Boden bei ihr übernachten. In der Nacht fiel er schliesslich über sie her.
Die Notwehr, bei der die Mutter dem Gericht zufolge übermässig Gewalt anwendete, indem sie den Mann erwürgte, kostete sie um ein Haar ihre Freiheit. Sie sollte in den Knast. Letzte Woche wurde Ruiz zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt.
Jetzt muss die Mexikanerin doch nicht hinter Gitter. Wie örtliche Medien berichten, krebste die Staatsanwaltschaft nun zurück und liess die Anklage gegen Frau im Nachhinein fallen.
«Mein Leben zu verteidigen, ist kein Verbrechen»
Nicht ohne Grund: Ruiz' Urteil hatte zu einem Aufschrei in ganz Mexiko gesorgt. An vorderster Front wehrten sich Frauenrechts-Organisationen gegen den Entscheid des Gerichts. Das Urteil kriminalisiere Überlebende sexueller Gewalt und schütze gleichzeitig die Täter, so der Tenor.
In Mexiko-Stadt zierte die Aufschrift «Mein Leben zu verteidigen, ist kein Verbrechen» die Schilder der Demonstranten. Die wütenden Proteste hatten eine derartige Wirkung, dass sich auch Mexikos Präsident, Andrés Manuel López Obrador (69), einschaltete.
Er erklärte, dass er sich für eine Begnadigung der 23-Jährigen einsetzen werde. Offenbar mit Erfolg: Wenige Tage später erwirkte die Staatsanwaltschaft den Freispruch der jungen Frau. Nach einer nachträglichen Überprüfung des Falls sei die Mutter «von der Schuld befreit», hiess es in einer Mitteilung. Ruiz' wieder erlangte Freiheit wurde im ganzen Land gefeiert.
«Es war mein Leben oder sein Leben»
Auch der Anwalt der Angeklagten zeigte sich über den Freispruch seiner Mandantin erleichtert: «Es bedeutet einfach, dass sie ihre Unschuld anerkennen. Es ist die Einsicht, dass sie sich mit gutem Recht selbst verteidigt hat», so der Anwalt zur Agentur AP.
Vor dem Urteil hatte Roxana Ruiz dem Portal Emeequis unter Tränen ein Interview gegeben und sich an die Nacht erinnert: «Ich wehrte mich, er fiel zu Boden, ich konnte mein Hemd um seinen Hals legen. Ich wollte einfach mein Leben vor einem Vergewaltiger retten.» Sie habe das alles nicht geplant, sagt sie. «Zu diesem Zeitpunkt war ich in Lebensgefahr. Es war mein Leben oder sein Leben.» (dzc)