«Ich verspreche, ehrlich zu sein», sagte der russische Präsident Wladimir Putin (70) am Dienstag bei einem persönlichen Meeting mit den bekanntesten Militärbloggern Russlands. Sie durften ihm all die Fragen stellen, die ihnen so unter den Nägeln brennen. Immerhin haben sich die Militärblogger als wichtige Instanz im Krieg erwiesen. Über Telegram informiert sich ein grosser Teil der russischen Bevölkerung über die Situation im Krieg, statt sich nur auf Kreml-Propaganda im Staatsfernsehen zu verlassen. Die Blogger stehen zwar hinter dem Krieg, schreiben aber auch von Verlusten und Problemen, die der Kreml gern verheimlicht.
Zwei Stunden lang sass das russische Staatsoberhaupt mit den Militärkorrespondenten am Tisch, machte Witze, sprach über Ziele des Kriegs, die sich ändern, aber irgendwie auch nicht ändern und stellte sich teilweise der Kritik. Bei dem seltsamen Meeting blieben alle ruhig und gelassen. Doch nur wenige Stunden später schäumten die Kriegsreporter vor Wut.
Das lag nicht an den Antworten von Putin, sondern an einer erfolgreichen ukrainischen Attacke gegen eine russische Brigade nahe der Stadt Kreminna in Luhansk. Dort versammelten sich laut Zeugen die Soldaten, um ihren neuen General Suchrab Achmedow zu begrüssen und seine Befehle entgegenzunehmen.
«Wir kämpfen gegen eigene Dummheit»
«Zwei Stunden lang standen die Soldaten in einer Menschenmenge an einem Ort und warteten darauf, dass der Divisionskommandant seine motivierenden Worte spricht», schreibt der russische Telegram-Kanal Rybar am Dienstagmorgen. «Doch stattdessen bekamen sie Himars und feindliche Artillerie zu hören.»
Und das ist nicht die einzige kritische Stimme. «Man darf nicht mit einer Kolonne zwei Stunden lang auf einer Stelle stehen!», schreibt der Telegramkanal «Dwa Majora». Völlig fassungslos fährt er fort: «Was tut ihr Kommandanten denn bloss, ihr gebt doch Kommandos? Wir haben mit unserer eigenen Dummheit und Schlampigkeit zu kämpfen.» Die Blogger des Kanals «Starsche Eddi» stimmen zu: «Solche Kommandanten müssen auf dem Schlachtfeld erschossen werden, auch wenn sie Oberste oder gar Generäle sind.»
Der Kreml hat das Massaker von Kreminna nicht bestätigt. Es bleibt unklar, wie viele Soldaten dabei gestorben sind. Laut dem Telegramkanal «Dontstopwar» gab es 30 Tote und Verwundete. Rybar betont, dass die Inkompetenz von Achmedow damit mehr Todesopfer forderte als die Kämpfe, die derzeit in Donezk toben.
Putin gibt zu, dass kompetente Generäle fehlen
Dabei bestätigt der Vorfall einmal mehr, was Putin wenige Stunden zuvor vor den Militärbloggern einräumen musste. Der Journalist Semjon Pegow kritisierte, dass fähige Leute nicht an die Spitze gelangen könnten. «Das System lässt sie nicht nach oben», sagt er. Putin gab zu, dass es eine Menge «Parkett-Generäle» gebe, die völlig «unfähig» sind. Andererseits gebe es auch gute Leute. «Leider sind sie es, die keine Gefahr scheuen und als Erstes sterben», so der Kremlchef. Und: «Das ist ein Problem.»
Für die Militärblogger ist klar, Achmedow ist ein inkompetenter General. Sie wollen Konsequenzen sehen. Der Blogger des Kanals «Woennii Osmedowitel» schreibt, dass der Divisionskommandant Achmedow bereits zuvor durch «Unfähigkeit» auffiel.
Er soll verantwortlich sein für den Tod einer ganze Brigade in Wuhledar, woraufhin in einem offenen Brief darum gebeten wurde, den Kommandanten aus der Stadt abzuziehen. Trotzdem durfte er seinen Rang als General behalten und wurde von Putin ausgezeichnet. Da sich der Kreml nicht zu dem Vorfall in Kreminna geäussert hat, dürfte Achmedow seinen Posten behalten. Und das macht die Blogger richtig wütend.