Im letzten Moment
Klimagipfel in Baku einigt sich auf Billionensumme für ärmere Länder

Der Klimagipfel in Baku hat eine massive Aufstockung der Klimahilfen beschlossen. Bis 2035 sollen jährlich 1,3 Billionen Dollar fliessen, davon 300 Milliarden aus Industrieländern. Wie die ambitionierten Pläne finanziert werden sollen, bleibt offen.
Publiziert: 24.11.2024 um 00:20 Uhr
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Aktualisiert: 27.11.2024 um 10:21 Uhr
Delegierte applaudieren bei der Einigung auf ein Abkommen zur Eindämmung des Klimawandels auf dem Uno-Klimagipfel COP29 in Baku, Aserbaidschan.
Foto: Joshua A. Bickel

Auf einen Blick

  • Weltklimakonferenz einigt sich auf erhöhte Klimahilfen für ärmere Staaten
  • Entwicklungsländer sollen Klimaschutz bezahlen und sich an Erderwärmungsfolgen anpassen können
  • Jährlich mindestens 1,3 Billionen US-Dollar bis 2035 für Klimafinanzierung geplant
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Die Weltklimakonferenz in Aserbaidschan hat sich darauf geeinigt, die Klimahilfen für ärmere Staaten deutlich aufzustocken. Insgesamt sollen bis 2035 jährlich mindestens 1,3 Billionen US-Dollar (aktuell rund 1,16 Billionen Franken) fliessen, davon 300 Milliarden vorrangig aus den Industriestaaten.

Mit dem Geld sollen Entwicklungsländer mehr Klimaschutz bezahlen können und sich an die fatalen Folgen der Erderwärmung anpassen können – etwa häufigere Dürren, Stürme und Überschwemmungen.

Bisher mobilisieren die klassischen Industriestaaten jährlich gut 100 Milliarden US-Dollar an Klimahilfen. Doch inzwischen liegt der Bedarf an externer Hilfe laut einer unabhängigen Uno-Expertengruppe bei rund einer Billion US-Dollar pro Jahr bis 2030 – und sogar 1,3 Billionen bis 2035.

Nach Kompromiss: Wut und Empörung auf Klimagipfel

Nach dem Kompromiss auf der Weltklimakonferenz im Streit über Klimahilfen in Billionenhöhe haben mehrere Länder im Plenum ihrer Empörung und Wut freien Lauf gelassen. Die Vertreterin Nigerias bezeichnete die 300 Milliarden US-Dollar (aktuell rund 268 Milliarden Franken), die vor allem Industriestaaten jährlich bis 2035 aufbringen sollen, als «Witz» und «Beleidigung». Indiens Vertreterin protestierte, man könne mit dem Beschluss absolut nicht einverstanden sein, weil die Zusagen viel zu gering seien. «Wir können das nicht akzeptieren.»

De facto hat das die Kritik aber keine Auswirkungen mehr, der Beschluss gilt. Die Äusserungen werden eher als Notiz zu Protokoll gegeben. Der aserbaidschanische Gipfelausrichter hatte den entscheidenden Text zuvor schnell mit dem üblichen Hammerschlag besiegelt. Etliche Staaten fühlten sich übergangen und beklagten, Wortmeldungen seien ignoriert worden.

Ein Vertreter Boliviens beklagte, die Entwicklungsstaaten würden mit ihrem Leid in der Klimakrise allein gelassen. Es breche eine Ära an, in der jeder nur seine eigene Haut retten wolle. Die Industriestaaten hätten eine historische Verantwortung für die Erderwärmung. Klimahilfen seien daher keine Wohltaten, «sondern eine rechtliche Verpflichtung».

EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra verteidigte dagegen den Beschluss. Es breche eine «neue Ära in der Klimafinanzierung an» und die EU werde weiterhin eine Führungsrolle übernehmen, versprach der Niederländer. Die neuen Ziele seien ehrgeizig, aber auch realistisch.

Nach dem Kompromiss auf der Weltklimakonferenz im Streit über Klimahilfen in Billionenhöhe haben mehrere Länder im Plenum ihrer Empörung und Wut freien Lauf gelassen. Die Vertreterin Nigerias bezeichnete die 300 Milliarden US-Dollar (aktuell rund 268 Milliarden Franken), die vor allem Industriestaaten jährlich bis 2035 aufbringen sollen, als «Witz» und «Beleidigung». Indiens Vertreterin protestierte, man könne mit dem Beschluss absolut nicht einverstanden sein, weil die Zusagen viel zu gering seien. «Wir können das nicht akzeptieren.»

De facto hat das die Kritik aber keine Auswirkungen mehr, der Beschluss gilt. Die Äusserungen werden eher als Notiz zu Protokoll gegeben. Der aserbaidschanische Gipfelausrichter hatte den entscheidenden Text zuvor schnell mit dem üblichen Hammerschlag besiegelt. Etliche Staaten fühlten sich übergangen und beklagten, Wortmeldungen seien ignoriert worden.

Ein Vertreter Boliviens beklagte, die Entwicklungsstaaten würden mit ihrem Leid in der Klimakrise allein gelassen. Es breche eine Ära an, in der jeder nur seine eigene Haut retten wolle. Die Industriestaaten hätten eine historische Verantwortung für die Erderwärmung. Klimahilfen seien daher keine Wohltaten, «sondern eine rechtliche Verpflichtung».

EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra verteidigte dagegen den Beschluss. Es breche eine «neue Ära in der Klimafinanzierung an» und die EU werde weiterhin eine Führungsrolle übernehmen, versprach der Niederländer. Die neuen Ziele seien ehrgeizig, aber auch realistisch.

Schweizer Delegation mit Einigung zufrieden

Die Schweizer Vertretung hat sich zufrieden mit der Einigung zur Aufstockung der Klimahilfe für ärmere Staaten gezeigt. Der Leiter der Schweizer Delegation sprach im Anschluss von einem erfolgreichen Abschluss. Die 300 Milliarden seien zu erreichen, sagte Umweltbotschafter Felix Wertli im Anschluss telefonisch zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Die Schweiz wird – wie alle anderen Staaten – mit dem Beschluss der Uno-Klimakonferenz (COP29) nicht konkret zu Zahlungen verpflichtet. Der Bundesrat werde 2025 einen Bericht verabschieden, in dem ein «fairer» Beitrag der Schweiz festgelegt werden soll, sagte Wertli. Er betonte, dass es nicht nur darum gehe, direkt mehr Geld zu bezahlen. Es gehe auch darum, Gelder zu mobilisieren. Mit dem Geld sollen Entwicklungsländer mehr für den Klimaschutz bezahlen und sich an die Folgen des Klimawandels anpassen können.

Enttäuscht zeigte sich die Umweltorganisation WWF Schweiz über das Ergebnis der Weltklimakonferenz. Die 300 Milliarden jährlich, die bis 2035 fliessen sollen, sind «völlig unzureichend», teilte Manuel Graf mit, politischer Leiter der Organisation. Die internationale Klimafinanzierung der Schweiz brauche eine separate zweckgebundene Abgabe, die möglichst nach dem Verursacherprinzip erhoben würde, forderte der WWF-Vertreter.

Weitere Geber sollen zahlen

Um die insgesamt beschlossenen 1,3 Billionen jährlich aufzutreiben, sollen der COP29-Einigung zufolge auch die multilateralen Entwicklungsbanken deutlich mehr Kredite ausreichen, beziehungsweise armen Staaten Schulden erlassen. Über das öffentliche Geld und das der Banken sollen mit Hebelwirkung auch in grossem Stil private Investitionen angestossen werden, die ebenfalls als Klimafinanzierung gezählt werden.

Ausserdem sollen weitere Geberländer ermuntert werden, sich zu beteiligen. Der Appell ist so weit gefasst, dass Klimaschützer kritisieren, niemand sei konkret für diesen Teil des Globalziels verantwortlich. Deutschland wird – wie alle anderen Staaten – mit dem Beschluss nicht konkret zu Zahlungen in bestimmter Höhe verpflichtet.

Finanzierung bleibt offen

Letztlich gelang ein Kompromiss auch deshalb, weil teilweise offen bleibt, wie die Billionensumme konkret aufgebracht werden soll – das wird nun Aufgabe der nächsten Klimakonferenz in Brasilien.

Die EU, einschliesslich Deutschland, wagte sich während der zweiwöchigen Konferenz erst ganz zum Schluss mit konkreten Summen aus der Deckung. Von der Bundesregierung hiess es, es sei völlig unrealistisch, dass Geld in Billionenhöhe aus den Haushalten kommt. Sie appellierte an Länder wie China und die reichen Golfstaaten, die viel mit Öl, Gas und Kohle verdient haben, ebenfalls zu zahlen. Noch gelten diese Staaten, wie etwa auch Indien und Südkorea, nach einer 30 Jahre alten Uno-Einstufung aber als Entwicklungsstaaten - und damit als Empfängerländer.

Deutschland hat für die Klimafinanzierung bislang rund sechs Milliarden Euro pro Jahr versprochen. Wie viel es künftig nach dem neuen Baku-Beschluss sein wird, muss die künftige Bundesregierung entscheiden. Konkret berechenbare Verpflichtungen wurden Deutschland in Baku nicht auferlegt.

Guterres: «Zusagen müssen schnell zu Bargeld werden»

Uno-Generalsekretär António Guterres (75) hat den Beschluss der Weltklimakonferenz zu zusätzlichen Finanzhilfen für ärmere Staaten gelobt – aber auch eingefordert, dass das Geld nun schnell fliessen müsse. Die Versprechen gehörten «vollständig und fristgerecht» eingelöst, verlangte er. «Zusagen müssen schnell zu Bargeld werden.» Denn viele überschuldete Entwicklungsländer, die von Katastrophen getroffen werden und bei der Revolution erneuerbarer Energien auf der Strecke bleiben, bräuchten dringend Geld.

Guterres wies einmal mehr auf die eskalierende Klimakrise hin. «Die COP29 findet am Ende eines brutalen Jahres statt – eines Jahres, das von Rekordtemperaturen geprägt und von Klimakatastrophen gezeichnet war, während die Emissionen weiter steigen.»

Der Portugiese sprach von komplexen Verhandlungen in einer unsicheren und gespaltenen geopolitischen Landschaft. Der bei der Konferenz in Aserbaidschan erzielte Konsens zeige, dass Multilateralismus einen Weg durch die schwierigsten Probleme finden könne. «Ich appelliere an die Regierungen, dieses Abkommen als Grundlage zu betrachten – und darauf aufzubauen.»

CO2-Schleuder G20

Das Ende des Zeitalters der fossilen Brennstoffe sei auch in wirtschaftlicher Hinsicht unausweichlich, betonte Guterres. Neue nationale Pläne der 200 Staaten müssten nun den Wandel beschleunigen und dazu beitragen, dass er gerecht erfolgt. «Die G20-Länder, die grössten Emittenten, müssen dabei die Führung übernehmen», forderte er.

Die G20-Staaten verursachen 83 Prozent der globalen fossilen CO2-Emissionen. Die grössten Kohlenstoffdioxidemittenten unter den G20-Mitgliedern sind China, die Vereinigten Staaten, Indien und die EU.

Um mehr als 30 Stunden verlängert

Zeitweise drohte die Weltklimakonferenz, die um mehr als 30 Stunden verlängert wurde, zu scheitern. Ganze Staatengruppen verliessen wenige Stunden vor dem Ende vorübergehend die Verhandlungen. Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock (43) warf dem Gastgeber Aserbaidschan vor, in den Verhandlungen unter anderem die Interessen der besonders verletzlichen Inselstaaten zu ignorieren, die vom steigenden Meeresspiegel bedroht sind.

Die Organisatoren aus dem Petrostaat, dessen Exporterlöse zu 90 Prozent aus Öl und Gas kommen, lobten sich hingegen selbst: Trotz «geopolitischem Gegenwind», habe man sich durchweg jede Mühe gegeben, «ein ehrlicher Makler» für alle Seiten zu sein.

Auch befürchtete die EU bis zuletzt, dass Beschlüsse der vergangenen Klimakonferenz in Dubai bei den Verhandlungen in Baku unter die Räder kommen könnten, etwa zur hart errungenen Abkehr von Öl, Gas und Kohle. Die von Deutschland damals «historisch» gefeierte konkrete Formulierung fehlt nun – der Beschluss dazu wurde mangels Konsens ins nächste Jahr vertagt.

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