IMAGE-ERRORHerr Reinkowski, für den türkischen Premier Ahmet Davutoglu ist der Fall klar: Hinter dem Attentat auf mehrere Busse des Militärs gestern Abend im Regierungsviertel Ankaras steckt ein 23-jähriger kurdischer Syrer, der von der PKK unterstützt worden ist. Das gab er heute, einen Tag nach der Tat, bekannt. Schenken Sie dieser Version Glauben?
Es ist schon erstaunlich, wie schnell der Attentäter identifiziert worden sein soll. Der Anschlag ist zudem für die PKK eher ungewöhnlich. So hatten sich die Attentate bisher auf den Südosten der Türkei konzentriert, nun hingegen wurde die Türkei mitten im Herzen getroffen. Das hat eine ganz andere Symbolkraft. Angesichts der Ereignisse der letzten Woche scheint es aber durchaus überzeugend, dass es sich bei dem Täter um einen syrischen Aktivisten handelte und die Tat ein Racheakt der YPG, des bewaffneten Arms der Partei der Demokratischen Union (PYD), war, die der PKK nahesteht.
Wie wird die Türkei nun reagieren? Präsident Erdogan hat bereits angekündigt, dass er sich rächen werde.
Es ist durchaus möglich, dass es zu einer Intensivierung des Artilleriebeschusses auf YPG-Stellungen im Norden Syriens kommt. Zudem könnte die Türkei über Luftangriffe nachdenken. Das wäre eine ganz neue Form der Eskalation. Die Gefahr besteht, dass sich die Türkei immer mehr in den Syrien-Konflikt hineinziehen lässt und es zu möglichen Verwicklungen mit anderen Kriegsparteien kommt. Dann würde alles noch viel komplizierter werden, als es jetzt schon ist.
Und welche Konsequenzen drohen auf innenpolitischer Ebene?
Innenpolitisch ist nicht mehr viel zu verlieren, der Prozess der Verständigung mit den Kurden wurde ja bereits abgebrochen. Das Attentat stellt für die Regierung aber sicherlich eine Bestätigung dar bezüglich des harten Kurses gegen die kurdischen Extremisten. Die Gleichsetzung türkischer Kurden mit syrischen Kurden birgt dabei das Risiko, dass sich Innen- und Aussenpolitik in der Türkei noch mehr verschränken. Bereits in der Vergangenheit kam es zu einer Internationalisierung des Konflikts. Die Folge: Die Dynamik im Kurdenkonflikt ist heute im Vergleich zu den 80er Jahren viel grösser und damit auch viel weniger kontrollierbar.
Davutoglu warnte die westlichen Verbündeten davor, einen «Feind der Türkei» – also die YPG – direkt oder indirekt zu unterstützen. Dies könne man nicht tolerieren. Ganz offensichtlich sprach er damit die USA an, die syrische Kurden im Kampf gegen den IS weiterhin unterstützen. Welche Reaktion ist von Seiten Washingtons zu erwarten?
Die USA und andere Nato-Partner werden alles daran geben, eine Eskalation zu verhindern – schliesslich wollen sie das Bündnis keinesfalls gefährden. Dass sie in aller Form das Attentat in Ankara verdammen, ist deshalb logisch. Andererseits ist auch ganz klar, dass die Türkei vor allem im Syrien-Krieg politische Ziele verfolgt, die sich zu grossen Teilen nicht mit denjenigen der USA und ihrer Partner decken. Vor allem die USA werden deshalb zwar bereit sein, der Türkei rhetorisch zu folgen – nicht aber realpolitisch.