Sie steht für Stabilität, Pragmatismus, kühlen Verstand. Mit den Bundestagswahlen und der Bildung einer neuen Regierungskoalition tritt Angela Merkel (67) nach 16 Jahren Kanzleramt von der nationalen und internationalen politischen Bühne ab.
In ihrer Regierungszeit hat die deutsche Bundeskanzlerin fünf britische, acht italienische, acht japanische Premierminister, vier französische und vier amerikanische Präsidenten erlebt. Sie hat Machthabern wie Wladimir Putin (68), Recep Tayyip Erdogan (67) oder Xi Jinping (68) die Stirn geboten, ohne sie vor den Kopf zu stossen.
Die Führungsrolle in der Finanzkrise, der Euro-Krise, der Flüchtlingskrise und der Corona-Pandemie brachten Angela Merkel Kritik, aber auch viel Respekt ein. Mitunter wurde die Pfarrerstochter aus der ehemaligen DDR zur «mächtigsten Frau der Welt» geadelt. Jetzt, wo sie geht, kommt hie und da sogar Wehmut auf.
US-Präsident nennt Angela Merkel eine Freundin
Als der US-Präsident Angela Merkel im Juni im Weissen Haus begrüsste, nannte er sie eine Freundin. «Ich werde Sie auf den Gipfeltreffen vermissen», sagt Joe Biden (78). Auch Wladimir Putin zeigt trotz aller politischen Differenzen Hochachtung. Merkel gelte zu Recht als eine der mächtigsten Anführerin Europas und der Welt, schmeichelte ihr der Kreml-Chef beim letzten Besuch in Moskau der Kreml-Chef. Und Putin fügte hinzu: «Wir werden Sie immer mit Freude in Russland empfangen». Und über die chinesischen Staatsmedien lobt Chinas autokratischer Herrscher Xi Jinping die guten langjährigen Beziehungen zur Bundeskanzlerin.
Enorme Macht bei grosser Bescheidenheit
Vorwiegend freundlich ist auch der Abschied in den internationalen Medien. So betont der US-Sender CNN Merkels «bemerkenswert ereignisreiche Machtperiode» und ihren Ruf, international für Stabilität und Besonnenheit zu stehen. «Le Monde» schreibt: «Mit dem Abgang von Angela Merkel verliert Frankreich auf jeden Fall eine Partnerin, mit der es eine enge Zusammenarbeit gab.» Die Zeitung räumt aber auch die wenig visionäre Europapolitik der Kanzlerin ein. Und in Italien schätzt «La Repubblica» die Eigenschaft der deutschen Bundeskanzlerin «bei enormer Macht grosse Bescheidenheit zu zeigen».
Eine international durchgeführte Studie des Hamburger Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos bestätigt die Beliebtheit der scheidenden Kanzlerin in In- und Ausland. Mehr als jeder zweite Befragte aus 28 Ländern (58 Prozent) zieht eine positive Bilanz über Angela Merkel, jeder Fünfte eine eher negative.
In ihrer Heimat sind mehr als zwei Drittel (67 Prozent) mit ihrer Arbeit zufrieden, 30 Prozent sind es nicht. Am beliebtesten ist Angela Merkel laut Ipsos-Studie in den Nachbarstaaten Niederlande mit 77 Prozent und in Frankreich sowie Belgien mit 75 Prozent Zustimmung.