Mysteriöse Krankheit in Kanada
Woran sterben die Menschen in New Brunswick?

In einer kanadischen Provinz leiden immer mehr Menschen an Gewichtsverlust und Sprachstörungen – und sterben. Ärzte streiten sich darüber, ob es sich bei dem Phänomen um eine neue Krankheit handelt. Die Lokalregierung verhindert derweil Ermittlungen.
Publiziert: 14.01.2022 um 17:56 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2022 um 08:21 Uhr
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New Brunswick ist eine ländliche Region in Osten Kanadas.
Foto: Google maps

Was ist nur in New Brunswick los? In der kanadischen Provinz erkranken seit 2018 immer wieder Menschen an einer unbekannten Krankheit. Die Betroffenen sind plötzlich dement, verlieren an Gewicht und haben Sprachstörungen. Neun Patienten sind bereits gestorben. Die Ärzte sind ratlos. Sie können diagnostizieren, dass die Symptome ähnlich wie bei der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sind. Mehr aber nicht. Entsprechende Tests auf die Krankheit fallen negativ aus.

Angst geht um in der Provinz und Wut. Denn einige vermuten, dass die Regierung den Ausbruch mit Absicht klein halten will und die Ermittlungen sabotiert.

Um die Krankheit untersuchen zu können, wurde bereits im Frühjahr 2021 ein sogenanntes Cluster ausgerufen, eine räumliche und zeitliche Häufung von ungewöhnlichen Erkrankungsfällen. Der Name: «New Brunswick Cluster of Neurological Syndrome of Unknown Cause». Auf der Regierungswebseite werden seit Frühjahr 2018 48 Patienten gelistet.

Regierung glaubt nicht an Umwelteinflüsse

Mittlerweile mehren sich aber Berichte, wonach es mindestens 150 Patienten geben soll. Und viele Fälle, die noch untersucht werden. Darunter seien viele junge Leute, wie ein Whistleblower einer Gesundheitsbehörde in New Brunswick dem «Guardian» erzählt. Er glaubt, Umwelteinflüsse könnten für die Krankheit verantwortlich sein. Darum sei New Brunswick, das ländliches Gebiet ist, besonders betroffen.

Die Regierung hält diese Theorie für unwahrscheinlich. Denn in einer Befragung bei Erkrankten hätten sich keine bekannten Umweltfaktoren als potenzielle Auslöser identifizieren lassen, ist in der «NZZ» zu lesen, die sich auf eine Regierungs-Studie zur Krankheit bezieht.

In derselben Befragung gaben allerdings zwölf Patienten an, einzelne oder mehrere Familienangehörige würden unter ähnlichen Symptomen leiden. Auch das könnte auf Umweltfaktoren hindeuten – von Ansteckungsgefahr ist nicht die Rede.

Die Regierung geht dem Vorwurf aber offenbar kaum nach, die Beobachtungen wurden laut Bericht weder klinisch dokumentiert noch im Labor überprüft.

Untersuchung der Toten sorgt für noch mehr Verwirrung

Sogar bei den offiziell anerkannten Fällen seien bisher offenbar keine Blut- oder Gewebeuntersuchungen vorgenommen worden, schreibt die «NZZ». Angehörige von Patienten würden deshalb fordern, die Toten auf Spuren von Umweltgiften zu untersuchen.

Doch die Regierung von New Brunswick habe die bereitstehenden Teams explizit angewiesen, diese Tests nicht durchzuführen. Unterdessen seien die Toten aber trotzdem untersucht worden. Und zwar von einem Neuropathologen der Universität von Ottawa. Man wisse nicht, wer ihm den Auftrag gab, die Regierung sei es in jedem Fall nicht gewesen.

Trotzdem präsentierte der Mann im Oktober 2021 seine Ergebnisse der Autopsie von acht Patienten und kam zum Schluss, dass alle an bekannten Krankheiten gestorben seien. An Alzheimer, Krebs, Demenz oder Gefässkrankheiten. Es handle sich seiner Meinung nach bei diesen acht Patienten um eine «Gruppe von falsch klassifizierten klinischen Diagnosen».

Neues Expertengremium soll Klarheit schaffen

Gibt es also überhaupt eine neue mysteriöse Krankheit in Kanada? Fakt ist: Von den 48 bekannten Patienten wurden 46 vom selben Arzt diagnostiziert. Und zwar von Alier Marrero. Dieser bestreitet aber den Vorwurf einer Falschdiagnose. Er gehörte bis Frühling 2021 zu den Experten, mit denen sich die Regierung regelmässig austauschte.

Anfang Juni wurde er wie das ganze Panel allerdings ausgetauscht, wie kanadische Medien mittlerweile in Erfahrung bringen konnten. Gründe dafür wurden keine genannt. Insider berichten, von den neuen Experten habe niemand Erfahrung mit neuropathologischen Epidemien. Und sie seien auch nicht damit betraut, den Grund für die Erkrankung zu finden. Stattdessen sollen sie die Frage beantworten, ob es die neue Krankheit überhaupt gibt.

Marrero trat seither an die Öffentlichkeit und sagt, die Regierung hätte ihm und den Kollegen verboten, die neusten Fälle zu aktualisieren. Man dürfe auch keine neuen Statistiken führen oder über neue Tote sprechen.

In wenigen Wochen will das Expertengremium der Regierung einen Bericht veröffentlichen. Er wird die Frage beantworten, ob in New Brunswick tatsächlich eine gefährliche unbekannte Krankheit grassiert – oder ob alles nur ein unglücklicher Zufall ist. (vof)

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