Missbrauchs-Skandal in Polen
Kirche wollte wissen, ob Bub (12) Spass hatte

Die Katholische Kirche in Polen musste sich bei Janus Szymik entschuldigen. Er wurde als 12-Jähriger von einem Priester missbraucht und hat deswegen die Diozöse verklagt. Die wollte wissen, ob der heute 48-Jährige schwul ist und den Missbrauch vielleicht sogar genoss.
Publiziert: 15.01.2022 um 18:39 Uhr
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Ein Messdiener wurde von einem Priester in Polen missbraucht. Heute verlangt das Opfer dafür Gerechtigkeit und eine Entschädigung. (Symbolbild)
Foto: pixabay

Er wurde als 12-Jähriger von einem Priester missbraucht und zieht deswegen vor Gericht. Janusz Szymik (48) fordert Genugtuung und Schmerzensgeld. Umgerechnet 688'000 Franken!

Doch die polnische Diözese Bielsko-Zywiec weigert sich und sorgt stattdessen für einen weiteren Skandal neben dem Missbrauch. Und zwar sollte ein Gutachter die sexuelle Orientierung des 48-Jährigen feststellen.

Der unglaubliche Gedanke dahinter: Als Homosexueller hätte Szymik gar Spass an dem Missbrauch haben können. Konkret schrieb die Diözese in dem Brief an das Gericht davon, ob Szymik eine Art «Befriedigung in der intimen Beziehung zum Pfarrer gezeigt» hätte, wie das Online-Portal «Katholisch.de» berichtet.

«Wir entschuldigen uns bei Janusz und allen, die entrüstet waren»

Als das bekannt wurde, hagelte es Kritik – und wie. Unter anderem von der polnischen Bischofskonferenz. «Die sexuelle Orientierung oder die Art, wie ein Kind auf Missbrauch reagiert, kann kein Argument gegen den Betroffenen sein und die Verantwortung des Täters mindern», sagte der Leiter der Abteilung für Kinderschutz bei der Bischofskonferenz, Piotr Studnicki, am Mittwoch, wie «Katholisch.de» weiter berichtet.

Es müsse jedem klar sein, dass ein Kind nie für die erlittene Gewalt die Verantwortung trage. Auch Szymik zeigte sich schockiert.

Inzwischen hat sich die Diözese Bielsko-Zywiec für den Brief entschuldigt. Es sei ein Fehler gewesen. In einer Stellungnahme heisst es: «Wir entschuldigen uns bei Janusz und allen, die entrüstet waren.» Der Priester, der Szymik als Jungen missbrauchte, hat die Tat bereits gestanden und wurde bereits im Jahr 2015 verurteilt. Allerdings nicht von einem Gericht, sondern von der vatikanischen Glaubenskongregation.

Zwei Bischöfe wollten Missbrauch vertuschen

Die polnische Bischofskonferenz hatte 2019 ihren ersten Bericht zum sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch katholische Geistliche vorgestellt. Darin wurden für die Jahre 1990 bis 2018 knapp 400 Fälle aufgeführt, in denen sich Geistliche an Kindern oder Jugendlichen vergingen.

Die in Polen sehr einflussreiche katholische Kirche war in den vergangenen Jahren von einer Reihe von Skandalen erschüttert worden. Im Sommer 2021 sanktionierte der Vatikan zwei polnische Bischöfe wegen der Vertuschung von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen.

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