Minister schlägt Alarm – Blick schätzt die Gefahr eines Angriffs der Russen ein
Warum sich die Schweden jetzt schnell auf Krieg vorbereiten müssen

Der Minister für Zivilverteidigung fordert die Schwedinnen und Schweden auf, sich auf einen Krieg vorzubereiten. Wie realistisch ist dieses Szenario? Militär-Experte Mauro Mantovani analysiert Carl-Oskar Bohlins Rede.
Publiziert: 11.01.2024 um 12:49 Uhr
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Aktualisiert: 11.01.2024 um 16:22 Uhr
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Carl-Oskar Bohlin ist Minister für Zivilverteidigung.
Foto: IMAGO/TT
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Guido FelderAusland-Redaktor

Der schwedische Minister für Zivilverteidigung schlägt dramatische Töne an. An einer Sicherheitskonferenz am Wochenende im Skidorf Sälen sagte Carl-Oskar Bohlin (38): «Viele haben es vor mir gesagt, aber lassen Sie mich es in offizieller Eigenschaft tun, klarer und mit nackter Klarheit: Es könnte Krieg in Schweden geben.»

Alle schwedischen Bürger, Mitarbeiter, Unternehmer und Führungskräfte, jeder solle sich die Frage stellen: «Wer bist du, wenn der Krieg kommt?» Vorbereitungen für einen möglichen Kriegsfall sollten möglichst rasch getroffen werden. «Jeder muss verstehen, dass Zeit in der Situation, in der wir uns befinden, unsere wertvollste Ressource sein kann.» Übertreibt Bohlin? Laut Militärstratege Mauro Mantovani (60) muss man die Warnung ernst nehmen. 

Alle sollen sich vorbereiten

Der Politiker der konservativen Moderaten Sammlungspartei nannte mehrere Beispiele, wie man sich auf den Ernstfall vorbereiten solle: Gemeinderäte sollten Notfallwasserpläne erarbeiten und die Versorgung mit Lebensmitteln, Wärme und Strom sicherstellen. Notfallbehörden sollten Freiwillige anwerben, um im Kriegsfall die Arbeit ausweiten zu können. Privatpersonen sollten überlegen, sich einer freiwilligen Verteidigungsorganisation anzuschliessen.

Als Vorbild für eine Gesellschaft, die sich gegen einen Angriff verteidigen kann, sieht der Minister die Ukraine. Ein derartiger geschlossener Widerstand sei aber nur möglich, «wenn die überwiegende Mehrheit sich der Situation bewusst ist und versteht, worum es geht», erklärte Bohlin. Daher sollten sich die friedensverwöhnten Schweden ihrer Lage klar werden.

Auch die Behörden müssten das Tempo erhöhen. Was schnell erledigt werden könne, müsse auch schnell erledigt werden – es sollte keine unnötig langen Diskussionen geben. Bohlin: «Ein Gut genug morgen ist besser als ein Perfekt in fünf Jahren.»

«Den Kreml ernst nehmen»

Übertreibt Bohlin oder ist Schweden tatsächlich in Gefahr? Militärstratege Mauro Mantovani bezeichnet Bohlins Rede als innenpolitischen Weckruf. «Er ist vermutlich abgestimmt mit seiner Regierung, und er ist unabhängig von der Tatsache, dass Schweden aktuell noch keinen formellen Schutz der Nato unter Artikel 5 geniesst.»

Es sei ein eindringlicher Appell an die Mitbürgerinnen und Mitbürger, sich mental auf Krieg gegen Russland einzustellen. «Er ruft implizit dazu auf, unverzüglich mit dem Wiederaufbau des schwedischen Gesamtverteidigungssystems des Kalten Krieges zu beginnen.»

Einen Krieg könne man nicht ausschliessen, sagt Mantovani. «Man muss den Kreml ernst nehmen: Er hatte mit gravierenden Konsequenzen gedroht, falls Schweden der Nato beiträte, und es hat nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder militärische Provokationen von russischer Seite gegeben.»

Moskau droht

Nach der Ankündigung, der Nato beitreten zu wollen, fuhr Moskau gegen Schweden und Finnland eine massive Drohkulisse auf. Der Kreml sprach von einer Stationierung von Atomwaffen an der Grenze sowie in der Ostsee. Viktor Tatarinzew (69), russischer Botschafter in Stockholm, erklärte, dass Schweden bei einem Nato-Beitrittsgesuch einen Schritt Richtung «Abgrund» zusteuere. Schweden wie Finnland müssten damit rechnen, bei einer Aufnahme in die Nato zu «legitimen Zielen» von Vergeltungsmassnahmen zu werden.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (64) erwartet, dass Schweden bis im Juli ins Verteidigungsbündnis aufgenommen wird. Monatelang hatte die Türkei den Nato-Beitritt Schwedens blockiert. Jetzt hat der Aussenausschuss des türkischen Parlaments der Erweiterung zugestimmt. Allerdings braucht es jetzt noch das Ja des türkischen Parlaments.

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