Endspurt vor der Bundestagswahl: Am Sonntag wählt mit Sachsen-Anhalt zum letzten Mal vor dem 26. September ein Bundesland seinen Landtag – dementsprechend gross ist die Aufmerksamkeit.
Der grösste Konkurrent der CDU, die mit Reiner Haseloff (67) den aktuellen Ministerpräsidenten stellt: die AfD. Umfragen sehen die besonders in Ostdeutschland zu grossen Teilen rechtsextreme Partei mit 23 Prozent als zweitstärkste Kraft hinter den Christdemokraten (29 Prozent). Weit vor SPD, Grünen, FDP und Linke, die alle jeweils zwischen 8 und 11 Prozent liegen. Und vor allem: ohne nennenswerte Verluste im Vergleich zu 2016.
Und das, obwohl keine akute Flüchtlingskrise der Rechten Auftrieb gibt. Obwohl sie in der Corona-Pandemie praktisch unsichtbar war.
Während die AfD deutschlandweit aktuell bei etwa 11 Prozent (Bundestagswahl 2017: 12,6 Prozent) vor sich hindümpelt, wird die rechte Partei im Osten wohl auch künftig stark bleiben – das jedenfalls glaubt der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU). Er sorgt kurz vor der Landtagswahl im ostdeutschen Sachsen-Anhalt für Aufsehen.
Wanderwitz hofft auf nächste Ost-Generation
Erst kritisierte er in einem Interview mit der Chemnitzer Tageszeitung «Freie Presse» die Wahl von Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maassen (58) in Südthüringen zum Bundestagskandidaten. Er sehe bei dem umstrittenen CDU-Rechtsaussen, der der AfD nahesteht, «eine Mischung aus Zündelei und groben Fehleinschätzungen, die problematisch ist».
Dann äusserte sich Wanderwitz in einem Podcast der «FAZ» über die AfD-Wähler im Osten. Der Experte sieht in Ostdeutschland eine stärkere Neigung, rechtsradikale Parteien zu wählen, als im Westen.
«Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach dreissig Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind», sagte Wanderwitz in dem Interview. Nur ein geringer Teil der AfD-Wähler sei «potenziell rückholbar», man könne darum nur «auf die nächste Generation» hoffen.
CDU-Generalsekretär kritisiert Wanderwitz
Die Aussage birgt mächtig Zündstoff. Schliesslich leidet der Osten besonders wirtschaftlich noch immer unter den Folgen der DDR-Zeit – ein Faktor, mit dem die starken AfD-Wahlergebnisse häufig begründet werden.
Während viele Wanderwitz für seine klaren Worte applaudieren, gibt es auch breite Kritik. «Ostbeauftragter gibt herzlos Menschen für die Demokratie verloren», lautete ein Kommentar im «Deutschlandfunk». Auch in seiner eigenen Partei löst er Empörung aus. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak (35) geht auf Distanz: «Ich finde diese Urteile in ihrer Pauschalität so nicht zielführend und deswegen benutze ich sie nicht.» Ähnlich äusserten sich führende CDU-Politiker aus Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Regierungsbildung dürfte schwierig werden
Das voraussichtliche Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt ist eine Herausforderung für die Regierungsbildung im ostdeutschen Bundesland. Weil keine demokratische Partei mit der AfD koalieren will, sind die Koalitionsmöglichkeiten begrenzt – und vor allem: bunt.
Ministerpräsident Haseloff führt seit 2016 die erste deutsche «Kenia-Koalition» aus CDU, SPD und Grünen. Eine Fortführung könnte wegen erwarteter Stimmverluste bei allen drei Koalitionspartnern schwierig werden. (red)