Mann berichtet, wie er in Butscha Massen-Hinrichtung überlebte
«Ich habe mich tot gestellt»

Vanya Skyba musste in Butscha mitansehen, wie mehrere Männer von den Russen hingerichtet wurden. Er überlebte nur, weil die für ihn bestimmte Kugel nicht richtig traf. Nun erzählt er, was an diesem tragischen 5. März geschah.
Publiziert: 06.04.2022 um 10:14 Uhr
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Aktualisiert: 06.04.2022 um 15:57 Uhr
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Was in Butscha passierte, ist auch Tage, nachdem Ukrainer Hunderte toter Menschen fanden, kaum zu fassen. Ein Überlebender erzählt, wie die Russen vorgingen.
Foto: keystone-sda.ch

Zu den Hunderten Leichen, die in Butscha gefunden wurden, gehören auch neun, die am Rand eines Bauhofs lagen, der als russischer Stützpunkt genutzt worden war. Der «Economist» hat mit einem Mann gesprochen, der nur mit sehr viel Glück nicht zum zehnten Opfer wurde. Er erzählt, was passiert ist. Es ist eine Geschichte, wie sie in Butscha – und möglicherweise auch andern Orten – in den vergangenen Wochen viel zu oft passiert sein dürfte.

Am 5. März seien er und weitere Männer, die gemeinsam einen Kontrollpunkt bewachten, unter Artilleriebeschuss geraten. Sie seien von Russen eingekreist worden und hätten im Keller eines Hauses Schutz gesucht. Am Abend seien sie von den Russen gefunden worden, sagt der Mann, der im Artikel Vanya Skyba genannt wird.

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Die Russen hätten gefragt, ob einige von ihnen im Donbass gekämpft oder als Soldat gedient hätten. Die Männer hätten verneint und gesagt, sie seien Bauarbeiter. Daraufhin seien sie zu einem Stützpunkt in der Yablonskastrasse 144 gebracht worden. Dort seien sie gezwungen worden, sich auszuziehen und mit dem Gesicht nach unten hinzulegen. Danach seien sie nach Telefonen und die Körper nach Symbolen und Tätowierungen abgesucht worden.

Mann getötet, danach redeten die anderen

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Um die Gruppe zum Reden zu bringen, hätten die Russen einen der Männer getötet. «Einen kleinen, bebrillten Kerl aus Iwano-Frankiwsk», wird Skyba zitiert. Das habe funktioniert. Ein anderer Mann habe daraufhin zugegeben, Mitglied der ukrainischen Territorialverteidigung zu sein.

Danach hätten die Russen ihn und die anderen Männer mehrere Stunden geschlagen und gefoltert, bis der Befehl gekommen sei, sie zu töten. Einige der Soldaten hätten asiatische Augen und einen starken Akzent gehabt, und Skyba vermutet, dass sie aus Burjatien in Ostsibirien stammten.

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Kugel traf ihn in der Seite

Der Hinrichtungsbefehl selbst sei von einem Mann erteilt worden, der mit normalem russischen Akzent gesprochen habe. «Die Burjaten fragten, was sie mit uns machen sollten. Der Russe antwortete, dass sie uns umlegen sollten – aber weg von der Basis.»

Danach seien sie an die Seite des Gebäudes geführt und erschossen worden. Er habe eine Kugel in die Seite bekommen, diese sei aber durch seinen Körper gedrungen. «Ich überlebte, indem ich mich auf dem Betonboden liegend tot stellte.» Sobald er keine Stimmen mehr gehört habe, sei er über den Zaun in ein nahe gelegenes Haus geflohen, berichtet er dem «Economist», der am 4. April mit ihm sprach.

In gleichen Bunker geführt

Später sei er von russischen Soldaten gefunden worden, diese hätten aber zu einer anderen Einheit gehört und seine Tarngeschichte geglaubt, dass er Besitzer des Hauses sei.

Sie hätten ihn dann ausgerechnet zu einem Bunker im Keller desselben Stützpunktes geführt, in dem er angeschossen worden sei. Dort sei er zusammen mit etwa einem Dutzend Frauen und Kindern einige Tage lang geblieben, bevor die Soldaten sie freigelassen habe. Am 9. oder 10. März, als die humanitären Korridore geöffnet wurden, sei er nach Kiew zurückgereist. (vof)

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