Mafiosi bedrohen Sanitäter im Einsatz
«Mach die Sirene aus, oder wir erschiessen dich!»

Weil Mafiosi in Neapel ungestört ihre kriminellen Geschäfte abwickeln wollen, sollen selbst Krankenautos nicht mehr mit Sirene und Blaulicht durch die Strassen fahren. Dafür werden auch mal Sanitäter mit dem Tod bedroht.
Publiziert: 04.02.2021 um 19:58 Uhr
|
Aktualisiert: 05.02.2021 um 06:42 Uhr
Das spanische Viertel liegt im Herzen von Neapel.
Foto: Screenshot Google Maps

Die Quartieri Spagnoli, das spanische Viertel, liegen im Herzen der Stadt Neapel. Der Stadtteil ist bekannt für seine vielen engen Gassen, die kleinen Läden und verwinkelten Hinterhöfe. Doch das Viertel ist auch verschrien als einer der Mafia-Hotspots der Hafenstadt.

Nun ist der Stadtteil diesem Ruf einmal mehr gerecht geworden – mit einer ebenso absurden wie tragischen Geschichte.

Dealer sollen in Ruhe arbeiten können

Es geschah am vergangenen Samstag: Wegen eines Notfalls wird am Abend die Sanität ins spanische Viertel gerufen. Mit Blaulicht und Sirene bahnt sich ein Krankenauto daraufhin seinen Weg durch die Strassen, bis plötzlich zwei Männer auf einem grossen Motorrad wie eine Eskorte neben dem Auto auftauchen.

Einer der beiden Töfffahrer klopft an die Scheibe des Krankenautos, dann schreit er den verdutzten Fahrer an: «Weisst du nicht, dass du hier nicht mit Sirene und Blaulicht fahren sollst? Mach das aus oder wir erschiessen dich!»

Hinter der deutlichen Aufforderung stecken die skrupellosen Interessen der Camorra, der neapolitanischen Mafia. Denn durch die Sirenen werden Dealer und andere Handlanger der Organisation ständig aufgescheucht und vertrieben. Und das wiederum ist schlecht fürs Geschäft.

«In einigen Quartieren werden Sirenen bewusst ausgeschaltet»

Solche Übergriffe sind keine Seltenheit mehr in Neapel, wie Manuel Ruggiero erklärt. Der 42-Jährige ist selber als Sanitäter im Dienst und engagiert sich gleichzeitig in der Gruppierung «Nessuno Tocchi Ippocrate» gegen die Übergriffe auf Rettungsdienste in der Stadt. Gegenüber der britischen Zeitung «The Times» sagt Ruggiero: «Es gibt bereits mehrere Quartiere, in denen die Helfer die Sirenen ganz bewusst erst wieder einschalten, wenn sie aus dem Gebiet wieder rausgefahren sind.»

Es sei auch schon vorgekommen, dass Mafiosi nach einer Schiesserei einen vorbeifahrenden Krankenwagen kurzerhand angehalten und den darin transportierten Patienten aus dem Auto gezerrt haben, um einen verletzten Kollegen einzuladen.

Der Vorfall vom Samstag nahm am Ende einen vergleichsweise glimpflichen Ausgang. Nachdem sie bedroht worden waren, alarmierten die Rettungskräfte im spanischen Viertel die Polizei, welche das Krankenauto dann für den Rest des Einsatzes begleitete und vor weiteren Übergriffen schützte. (cat)

Mafia liess mit Diplomatenauto 500 Millionen in die Schweiz schmuggeln
0:39
Mega-Prozess gegen 'Ndrangheta:Mafia liess von Diplomaten 500 Millionen schmuggeln
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?