Männlich, blond und schlecht gelaunt
Geert Wilders verzweifelt an der Partnersuche

Vor drei Monaten jubelte der niederländische Rechtspopulist über seinen überraschenden Wahlerfolg. Zum Regieren reicht es nicht. Geert Wilders (60) braucht Koalitionspartner – doch kaum jemand will mitmachen. Und so mancher wünscht sich Demokratie wie in der Schweiz.
Publiziert: 20.02.2024 um 17:45 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2024 um 09:28 Uhr
Foto: IMAGO/ANP
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Myrte MüllerAussenreporterin News

Schliessung aller Moscheen. Verbot des Korans. Grenzen dicht für Migranten. Keine Waffen an die Ukraine. Abschaffung des Klimagesetzes. Und weniger Macht der EU. Die teils grenzwertigen Parolen von Geert Wilders (60) trafen Ende November 2023 einen Nerv bei vielen Wählern. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen gab jeder Vierte seine Stimme dem Islam-Hasser. Fortan ist Wilders Partei stärkste Fraktion im Land und beansprucht 37 der 150 Sitze im Parlament. Zum Regieren fehlen aber Koalitionspartner. In den Niederlanden droht darum das Chaos.

Drei Monate nach dem überraschenden Wahltriumph kann Geert Wilders noch keines seiner Wahlversprechen anpacken. Das Ärmelhochkrempeln und Durchfegen ist in weite Ferne gerückt. Wenn der Europa-Skeptiker bald keine Mitte-Rechts-Koalition zusammenbekommt, dann geht ihm vielleicht sogar der Posten des Premiers flöten.

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Pressekonferenz am vergangenen 14. Februar 2024 in Den Haag: Wahlsieger Geert Wilders (60) stellt sich den Fragen der Journalisten. Sie wollen wissen, wie es mit den bislang gescheiterten Koalitionsgesprächen weitergehen wird.
Foto: keystone-sda.ch

«Wilders kann nicht Premier aller Niederländer sein»

Geert Wilders grosses Problem: Ausser der «Bauern-Bürger-Bewegung» (BBB), die nur über sieben Mandate im Parlament verfügt, will keiner so recht mit Wilders «Partei für die Freiheit» (PVV) paktieren. Unermüdlich führte Vermittler Ronald Plasterk (66) Gespräche mit Dilan Yesilgöz (46) von der «Partei für Freiheit und Demokratie» (VVD) und mit Pieter Omtzigt (50), Chef der neu gegründeten konservativen Partei «Neuer Sozialvertrag» (NSC). Sie konnte auf Anhieb 20 Sitze im Unterhaus ergattern.

Anfang Februar brach NSC-Chef Omtzigt die Gespräche ab. Auch Vermittler Plasterk stellte seine Vermittlung ein. Grund: Viel in Wilders Polit-Programm verstösst gegen Rechtsstaatlichkeit und Verfassung. Daran will sich niemand die Finger verbrennen. Die meisten Pläne von Wilders seien rechtlich so unhaltbar, dass sie vor Gericht nicht durchkommen würden, erklärt Jurist Thomas van Houwelingen-Boer (34) gegenüber Blick. «Wilders verspricht zwar diese Themen vorerst einzufrieren, doch sie sind Teil seiner Politik. Er kann nicht der Premier aller Niederländer sein. Daher muss er möglicherweise auf dieses Amt verzichten und es einem Koalitionspartner überlassen», so van Houwelingen-Boer weiter.

Auch eine Anti-Wilders-Koalition wäre möglich

Die zögerlichen Verhandlungspartner werfen immer wieder neue Vorschläge in den Ring. Die VVD würde beispielsweise ein Minderheitenkabinett unterstützen. Auch eine ausserparlamentarische Experten-Regierung wäre eine Option.

Doch auch eine ganz andere Lösungsidee schwebt im Raum: Die verbliebenen Parteien raufen sich zu einer Anti-Wilders-Koalition zusammen, halten mit 76 Sitzen eine Mehrheit und schicken den Rechtspopulisten in die Opposition. Neuwahlen jedoch will niemand.

Wilders hat unterdessen einen neuen Verhandler ernannt. Doch auch Kim Putters (50) braucht ein Erfolgsrezept für die heikle Koalitionsbildung. Dieses will sich der hohe Beamte Ende dieser Woche bei Politik-Experten Claes de Vreese (49) holen, einem dänischen Professor an der Universität Amsterdam. In dessen Land regieren immer wieder Minderheitskoalitionen.

Den Niederländern droht jedenfalls ein monatelanges Polit-Chaos. Nichts Neues fürs 18-Millionen-Volk. Die Bildung des letzten Rutte-Kabinetts dauerte 299 Tage. Mit einem Hauch von Sehnsucht schielt so mancher auf Bundesbern. Man sollte über die Grenzen schauen, schlägt der niederländische Verfassungsexperte Hans Lönchoff in einem Kommentar in der «Aviation Analysis» vor – und meint das Schweizer Modell. «Die Regierung besteht aus nur sieben Ministern, darunter ein rotierendes Staatsoberhaupt, und aus drei oder vier grossen Parteien», erklärt Lönchoff. Dort würde schnell eine ausgewogene Regierung gebildet.

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