Es ist in den vergangenen Jahren fast schon zu einem Automatismus in der deutschen Politik geworden: Überall dort, wo die rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland (AfD) ihre Versammlungen und Parteitage abhält, kommen in Windeseile Zehntausende von Demonstranten und Aktivisten zusammen, um gegen «rechts» zu protestieren.
Doch von friedlichem Meinungsaustausch kann oft keine Rede sein. Nicht selten setzen die Aktivisten auf rohe Gewalt und undemokratische Mittel.
Aktivisten belagerten Eingänge von Hotel
So auch vor und während des AfD-Bundesparteitags in Essen. Laut Polizei hat es mehrere gewalttätige Aktionen von Gegnern der Partei gegeben. «Demonstranten haben sich teilweise vermummt und Einsatzkräfte angegriffen», berichtete die Polizei Essen am Samstag. Es habe bereits mehrere Festnahmen gegeben. Die Polizei appellierte an Demonstranten, «sich von Gewaltaktionen und Störern fernzuhalten».
Aktivisten versuchten am Samstagvormittag, die Anreise von Delegierten zum Parteitag zu verhindern. Wie «Bild» berichtet, hätten einige gar die Eingänge eines Hotels belagert, in dem angeblich AfD-Politiker übernachtet haben sollen.
Zwei Polizisten schwer verletzt
Auch vor einer Bäckerei kam es zu wüsten Szenen, als eine Gruppe Linksextremer versuchte, das Lokal zu stürmen. Der Grund: Ein AfD-Bundestagsabgeordneter hatte sich darin verschanzt und Schutz vor dem wütenden Mob gesucht. Die Polizei musste teils Schlagstöcke einsetzen, um die Rudelbildung aufzulösen. Erst danach konnte der Politiker unter Polizeischutz in die Messehalle eskortiert werden.
Nach Angaben der Polizei vom Nachmittag wurden am Samstagmorgen elf Beamte verletzt. Die Polizei setzte deshalb auch Pfefferspray, Schlagstöcke und «unmittelbaren Zwang» ein, wie sie mitteilte.
«Während des Geleitschutzes eines Politikers durch eine Gruppe von Störern im direkten Umfeld der Grugahalle traten bisher unbekannte Täter zwei Polizeibeamten der Bereitschaftspolizei gegen den Kopf», schreibt die Polizei in einer Mitteilung. «Noch am Boden liegend wurden die Beamten mit Tritten traktiert. Die Polizisten wurden schwer verletzt und mussten ins Spital eingeliefert werden», heisst es weiter. Sieben weitere Einsatzkräfte seien zudem leicht verletzt worden. Die Gewalttäter konnten in der Menschenmenge unerkannt untertauchen und flüchten. Nun wertet die Polizei Videoaufnahmen aus und sucht Zeigen.
Politiker in Seitenstrassen festgesetzt
Mehrere Bundestagsabgeordnete berichteten, sie seien von der Polizei am Hotel abgeholt und zum Veranstaltungsort gebracht worden. Andere wurden einzeln unter starkem Polizeischutz zur Halle geleitet, bedrängt von Demonstranten. Einige Delegierte gelangten aber auch zu Fuss völlig unbehelligt zur Grugahalle.
Gemäss Medienberichten sei es jedoch für die meisten AfD-Delegierten ein Ding der Unmöglichkeit, unbehelligt zum Messezentrum zu gelangen. Laut «Bild» würden sie auf dem Weg zum Parteitag von Demonstranten eingekesselt und umzingelt. Die Polizei hat bereits mitgeteilt, dass sie kaum alle betroffenen Personen zur Halle geleiten könne. So wurden viele Politiker kurzerhand in einigen Seitenstrassen der Essener Innenstadt festgesetzt. Auch einige Journalisten sollen in den Tumulten feststecken.
An ein Weiterkommen ist für sie alle derzeit angesichts der angeheizten Stimmung nicht zu denken. Bis zu einem Dutzend Polizisten müssen teils für die Sicherheit eines einzigen Politikers sorgen. Trotz Schlagstöcken lassen sich die Aktivisten nicht zurückdrängen. Zu den Demonstrationen und Veranstaltungen werden am Samstag und Sonntag bis zu 100'000 Menschen aus ganz Deutschland, darunter auch 1000 Linksextreme, erwartet. Die Polizei ist über das Wochenende mit mehreren Tausend Beamten im Einsatz.
AfD-Politiker soll Demonstrant in die Wade gebissen haben
Ein besonders kurioser Vorfall ereignete sich laut deutschen Medienberichten am Vormittag, noch vor dem Start des Parteitags. Offenbar soll ein AfD-Politiker einem Demonstranten in die Wade gebissen haben. Wie dieser gegenüber «Der Westen» sagte, versuchte der Delegierte zunächst durch die Kette der zahlreichen Aktivisten zu gelangen. Die Aktion missglückte, der Politiker fiel hin. Gleichzeitig riss er dabei einen Mann zu Boden, der kurz darauf von dem Politiker gebissen worden sein soll. Gemäss dem «Spiegel» soll es sich bei dem Politiker um Stefan Hrdy aus dem Bundesland Nordrhein-Westfalen handeln.
Es scheint indes nicht die einzige unschöne Aktion Hrdys gewesen zu sein. Gemäss «Zeit Online» soll er zudem noch eine weitere Demonstrantin bespuckt haben. Die ARD-Tagesschau meldete derweil, dass ein Teilnehmer des AfD-Parteitags die stellvertretende Vorsitzende der Juso bespuckt habe. Ob es sich dabei um den gleichen Vorfall handelt, ist nicht klar.
«Habe grosse Sorgen, ob das alles gut geht»
Gegen 09.30 Uhr sollen dann zumindest die Hälfte der rund 600 AfD-Delegierten das Messezentrum erreicht haben. Rund eine Stunde später, um 10.28 Uhr, wurde der Parteitag schliesslich eröffnet.
Mit einer halben Stunde Verspätung betrat Co-Parteichefin Alice Weidel (45) die Bühne und richtete zuerst einige dankende Worte an die Sicherheitskräfte. «Ich habe grosse Sorgen, ob das alles gut geht. Ich mache mir auch grosse Sorgen um die Polizisten, die diesen Parteitag schützen. Ich wünsche mir, dass sie wohlbehalten morgen zu ihren Familien zurückkehren.»
Bei dem Parteitag will die AfD einen neuen Bundesvorstand wählen. Das Führungsduo Alice Weidel und Tino Chrupalla (49) strebt eine Wiederwahl an. Gegenkandidaten gab es bis zuletzt keine. Es wird auch um den missratenen Europa-Wahlkampf, den Umgang mit Spitzenkandidat Maximilian Krah (47) und den Kurs der AfD in der Europa- und Aussenpolitik gehen.