Kritische Stimmen aus St. Petersburg
«Putin ist eine Gefahr für Russland»

Eine Gruppe Abgeordneter in St. Petersburg fordert den Rücktritt von Präsident Wladimir Putin. Einer der Initiatoren ist Nikita Juferew. Obwohl eine solch direkte Kritik am Kremlchef extrem gefährlich ist und vermutlich nicht durchkommt, ging er das Risiko ein.
Publiziert: 15.09.2022 um 11:50 Uhr
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Aktualisiert: 15.09.2022 um 14:45 Uhr
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Nikita Juferew, Bezirksabgeordneter von St. Petersburg, fordert Putins Rücktritt.
Foto: Screenshot Tagesschau

Für den Kremlchef Wladimir Putin (69) wird die Luft immer dünner. Nichts läuft mehr nach Plan: Erst erobern die Ukrainer grossflächige Gebiete zurück, dann schwindet die Moral seiner Soldaten und jetzt reichen russische Lokalpolitiker auch noch einen Antrag auf Amtsenthebung ein und fordern seinen Rausschmiss. Ausserdem erheben sie Vorwürfe wegen Hochverrats gegen Putin. Das russische Parlament hat 30 Tage Zeit, um auf die Forderung zu reagieren. Aber den russischen Präsidenten scheint das kalt zu lassen. Denn: Eine solche Forderung kommt nicht durch, solange er auf dem Chefposten sitzt.

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«Wir rechnen natürlich nicht damit, dass Putin seines Amtes enthoben wird», sagt Nikita Juferew, ein Abgeordneter des Bezirks St. Petersburg, zur «Tagesschau». Im russischen Parlament sitzen schliesslich nur Politiker, die hinter Putin stehen. «Unser Appell richtet sich an die Bevölkerung», sagt der Politiker. «Wir wollten zeigen, dass wir zahlreich sind und dass die Bevölkerung nicht allein gelassen wird.»

Es drohen Strafen

Eine Forderung zu stellen, wie es Juferew gemacht hat, kann für die einzelnen Initianten schwere Folgen haben. Wie die «Bild» berichtete, droht bereits einigen Politikern wegen «Diskreditierung des Einsatzes der Streitkräfte der Russischen Föderation» eine hohe Geldstrafe. Die Strafe für Politiker, die dem russischen Präsidenten Hochverrat vorwerfen, dürfte noch höher sein.

Juferew ist aber überzeugt, dass es die Sache Wert war – egal welche Strafe ihn erwartet. «Einen Tag nach unserem Appell hat ein anderer St. Petersburger Bezirk einen Appell verfasst und den Rücktritt Putins gefordert», sagt Juferew. Er hoffe nun, dass noch mehr Stimmen laut werden und die Regierung kritisieren. Es gebe bereits Unterschriften aus über 35 Verwaltungsbezirken. «Es gibt auch Machthabende in St. Petersburg, die Putins Spezialoperation nicht unterstützen», so Juferew.

Die «Spezialoperation Z» fordert zu viele Opfer

Putins grösstes Verbrechen ist laut den Abgeordneten die hohe Zahl der Todesopfer und Verletzten, seit Russland die Ukraine angegriffen hat. Das haben die Politiker bereits in der Vergangenheit kritisiert. In der offiziellen Forderung sei davon aber nicht die Rede. Juferew und die anderen Initiatoren mussten den Antrag so schreiben, dass die Abgeordneten der Duma, die klar auf der Seite von Putin stehen, sie auch verstehen und zulassen. Jetzt heisst es also: «Putin hat seine Ziele nicht erreicht.»

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Aus Angst vor der Nato-Erweiterung habe Putin die Ukraine angegriffen, doch das hat die Beziehung zu den Nato-Staaten nur verschlechtert und Russland in eine problematische geopolitische Lage gebracht. Ein anderes Ziel war die Entmilitarisierung der Ukraine, seit Ausbruch ist das ukrainische Militär aber noch stärker und wird mit Waffen aus dem Westen versorgt. «Viele junge Menschen müssen sterben, zudem ist es ein Rückschlag für die russische Wirtschaft», klagt Juferew. Für ihn ist klar, «dass Putin eine Gefahr für Russland ist.» Die Entscheidung, in die Ukraine einzumarschieren, sei ein grosser Fehler gewesen und gefährde die Bürger Russlands.

Eine Gratwanderung zwischen Recht und Korruption

Der Abgeordnete habe keine Angst vor den Konsequenzen seiner Kritik. «Wir versuchen, die Risiken abzuwägen und machen nichts, was nicht legitim ist», erklärt Juferew die Handlungen der Abgeordneten. Ziel sei es, den Rücktritt Putins verfassungsgemäss einzuleiten und den Regierungschef wegen Hochverrats anzuklagen, ohne illegal zu handeln. Doch das sei gar nicht so einfach. «Rein juristisch haben wir recht, aber das russische Rechtssystem ist korrupt, und wir werden vermutlich für unsere Handlungen bestraft.»

Die Hoffnung liegt nun bei der Bevölkerung. Denn obwohl die Medien in Russland vom Staat kontrolliert werden, wächst das Misstrauen bei den Menschen. Juferew weiss: «Putin ist die grösste geopolitische Bedrohung für Russland. Alle sind müde von seiner Politik. Er muss zurücktreten.» Wenn die Bevölkerung das realisiert, könnte der Widerstand gegen die Regierung gross genug werden. (jwg)

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