Deutschlands Verteidigungsminister macht Ernst. Boris Pistorius (SPD, 64) baut die Streitkräfte der mächtigsten Volkswirtschaft Europas im Eiltempo um. «Kriegstüchtig» soll die 180’000-Mann starke Armee bis in sechs Monaten werden. «Damit niemand auf die Idee kommt, uns als Nato-Gebiet anzugreifen.»
Das sagte Deutschlands beliebtester Politiker am Donnerstag in Berlin, wo er seine Umbaupläne für die Streitkräfte vorstellte – symbolischerweise genau am 75. Geburtstag des Militärbündnisses Nato. Natürlich haben die Monster-Reformen beim nördlichen Nachbarn auch Folgen für die Schweiz. Diese drei Massnahmen stechen besonders hervor.
Wehrpflicht: Die Deutschen sollen wieder müssen
2011 hat Deutschland die Wehrpflicht abgeschafft und auf eine Profi-Armee umgestellt. Das hat zu einer massiven Verkleinerung der Streitkräfte geführt. Noch rund 181'000 Männer und Frauen in Uniform dienen dem Land – mindestens 20'000 zu wenig, laut Pistorius.
Deshalb pocht der Verteidigungsminister jetzt auf die «Aufwuchsfähigkeit» der Armee. Konkret habe man bei den jetzt vorgenommenen Reformen der Streitkräfte «die Wiedereinführung der Wehrpflicht» mitgedacht, betont der SPD-Mann.
Wie genau die Wehrpflicht 2.0 aussehen soll und ob auch Frauen davon betroffen sein werden, muss die deutsche Politik entscheiden. Pistorius selbst ist angetan vom schwedischen System. Das skandinavische Land hat seine Wehrpflicht 2017 wieder eingeführt. Alle 18-Jährigen im Land müssen einen Fragebogen ausfüllen. Wer sich für den Militärdienst eignet, wird vorgeladen. Alle anderen müssen Zivildienst leisten.
Cyber-Krieg: Berlin kopiert Bern
Deutschland rüstet auf – und um. Neben den traditionellen Abteilungen Heer, Luftwaffe und Marine will Pistorius eine vierte Spezialabteilung gründen: jene für den Cyber- und Informationsraum. «In der Ukraine gibt es kaum noch Gefechtssituationen ohne digitale Komponente», betonte der SPD-Verteidigungsminister. Die Bedeutung dieses Bereichs sei gerade angesichts der russischen Cyberkrieg-Fähigkeiten enorm.
In diesem Bereich ist die Schweiz dem grossen Nachbarn im Norden einen Schritt voraus. Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist das Kommando Cyber rund um die Uhr im Einsatz. Das neueste Bundesamt der Gruppe Verteidigung unterstützt mit seinen drei Rechenzentren (eines in Frauenfeld, zwei an geheimen Standorten) die helvetischen Streitkräfte in sämtlichen IT- und Cyberbelangen.
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Das Kommando Cyber stellt gesicherte Netzwerke bereit, kann gegnerische Waffensysteme ausschalten, Angriffe auf unser Versorgungsnetz abwehren und feindliche Funker abhören. «Wir sind die digitale Wirbelsäule der Armee», erklärt IT-Experte und Oberstleutnant Ramun Hofmann in einem Erklärvideo des neuen Kommandos. Dieses Rückgrat wollen die Deutschen jetzt auch.
Ratzeputz: Weg mit der Bürokratie
Jedes System, das nicht regelmässig auf Herz und Nieren geprüft wird, wird irgendwann träge und viel zu kompliziert. Das weiss Boris Pistorius. Deshalb verkündete er am Donnerstagmittag, dass die Führungsstruktur der deutschen Streitkräfte massiv vereinfacht werden soll.
So gibt es zukünftig für alle im In- und Ausland tätigen Einheiten eine zentrale Kommandostruktur. Das soll schnelle Entscheidungen ermöglichen und es Verbündeten wie etwa der Nato vereinfachen, rasch den richtigen Ansprechpartner zu finden.
Klar ist: All diese Dinge kosten Geld. Deutschland hinkt dem Nato-Ausgabeziel von zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) noch immer deutlich hinterher. Bei 1,4 Prozent des BIP liegen die deutschen Ausgaben derzeit. Das ist immer noch mehr als die 0,7 Prozent, die sich die Schweiz ihre Verteidigung kosten lässt.