Marcel P.* (55) muss einen Schutzengel gehabt haben. Anders lässt es sich für Laien wohl nicht erklären, dass der Lausanner am vergangenen Donnerstag einen brutalen Überfall überlebte, bei dem ihm in den Kopf geschossen wurde.
Eine Woche nach dem Vorfall geht es dem Professor, der an der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) lehrt, bereits wieder so gut, dass er mit der Westschweizer Zeitung «24 Heures» ein Gespräch führen kann. «Ich habe bereits viele Beileidsbekundungen von meinen Freunden und Kollegen an der EPFL erhalten. Ich möchte ihnen allen ganz herzlich danken», sagt er.
P. war mit seiner Frau und den drei Kindern in Salvador de Bahia in den Ferien. Am letzten Tag kam es zum Überfall. «Am nächsten Tag musste ich nach Boston fliegen, um einen Vortrag zu halten.» Beim Verlassen eines Restaurants wurde das Paar angegriffen.
«Wir waren im Viertel Stella Maris, was eigentlich kein schlechtes Viertel ist. Unser Auto war nicht luxuriös, sondern nur ein gewöhnlicher Mietwagen. Ich habe auch keine Uhr am Handgelenk getragen. Es gab nichts zu stehlen», erzählt der Akademiker. Warum die Kriminellen es gerade auf sie abgesehen hatten, kann er sich nicht erklären. «Es gab keinen Grund, uns anzugreifen», ist P. überzeugt.
Kugel prallte im Innenraum ab
Mit Schrecken erinnert er sich an die letzten Momente, bevor eine Kugel sich in seinen Schädel bohrte. «Ein Auto blieb vor unserem stehen. Es war ein Hinterhalt. Ein Mann kam heraus. Er hat viermal auf uns geschossen.» Zum Glück waren die Kinder, als die Schüsse fielen, nicht im Auto.
Während seine Frau unbeschadet davon kam, wurde P. schwer verletzt. Als die Kugel ihn in den Kopf traf, versuchte er gerade, rückwärtszufahren, um den Schüssen zu entkommen. Der Wagen prallte gegen eine Wand. «Was mich gerettet hat, war, dass die Kugel im Innenraum abprallte. Dadurch verlor sie etwas an Geschwindigkeit, bevor sie den Hinterkopf erreichte, wo der Knochen härter ist. Wenn sie mich direkt berührt hätte, wäre ich nicht hier, um Ihnen davon zu erzählen», zitiert «24 Heures» den Experten für Mikrotechnik.
Anschliessend verlor P. das Bewusstsein. Seine Frau habe ihn mehr oder weniger sterben sehen, fügt er hinzu. Als die Räuber geflüchtet waren, kamen sofort Leute aus dem Restaurant und leisteten Erste Hilfe. Auch ihnen ist er dankbar.
Angreifer wurde erschossen
Nun muss er sich gedulden. Seine Genesung im Spital in Salvador de Bahia wird noch knapp drei Wochen dauern. Erst danach wird er in die Schweiz zurückkehren. Seine Meinung über Brasilien hat der Überfall nicht geändert.
«Ich möchte meinen Angriff nicht zu etwas Dramatischem und Sensationellem machen. Brasilien ist ein Land, das ich liebe. Das wird sich nicht ändern», macht er deutlich. «Ich liebe die Stadt Salvador de Bahia. Es ist ein kulturell unglaublicher Ort», schwärmt er und merkt an, dass er bereits seit zehn Jahren dort Ferien macht.
Seine Frau gab dem örtlichen TV-Sender ebenfalls ein Interview. Darin sagt sie: «Ich schäme mich, dass er in meiner Heimatstadt angeschossen wurde, die ich so sehr liebe.»
P.s Angreifer (†27) hatte bereits früher am Tag eine Apotheke überfallen. Am vergangenen Freitag konnte die Polizei den Mann ausfindig machen. Bei der Festnahme wurde er erschossen. Die Ermittler waren ihm dank einer Überwachungsaufnahme auf die Schliche gekommen. P. sagt dazu nur: «Was mit ihm passiert ist, ist mir egal.»
*Name geändert