Die Schweizer Kinos vermelden einen grossen Zulauf. Nicht nur wegen Barbie, sondern auch wegen «Oppenheimer». Innert Kürze hat der Film über den sogenannten «Vater der Atombombe» bei einem Budget von 100 Millionen Dollar weltweit 174 Millionen Dollar eingespielt.
Der herausragende amerikanische Physik- und Chemiestudent J. Robert Oppenheimer (1904 – 1967) wurde 1942 Leiter des geheimen «Manhattan-Projekts», das die Entwicklung der Atombombe zum Ziel hatte. Der Rest ist bekannt: Die beiden Atombomben über Hiroshima und Nagasaki, deren Abwurf US-Präsident Harry S. Truman (1884 – 1972) befohlen hatte, töteten 1945 zwischen 100’000 und 250’000 Menschen. Als er sah, welche Wirkung die Bombe hat, wurde Oppenheimer zum Atomwaffengegner.
«Der wichtigste Mensch, der je gelebt hat»
Oppenheimer-Regisseur Christopher Nolan (52) sagt: «Ob es einem gefällt oder nicht: J. Robert Oppenheimer ist der wichtigste Mensch, der je gelebt hat.» Mit der Forschung von Oppenheimer und seinem Team haben die Amerikaner Japan zur Kapitulation gezwungen und die Welt in eine Angst vor Atomwaffen versetzt, die bis heute anhält.
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Oppenheimer fasziniert, wie die Kino-Zahlen zeigen. Wie hätten sich Kriege und die Welt entwickelt, wenn es ihn und seine Bombe nicht gegeben hätten? Blick befragte dazu den ETH-Militärexperten Mauro Mantovani (59), der auch zum Kalten Krieg gearbeitet hat.
Wer forschte nebst den USA an der Atombombe?
Am nächsten dran war wohl die Sowjetunion. Ihr Atombombenprojekt war eine Reaktion auf das deutsche Uranprojekt und das amerikanische Manhattan-Projekt. Da aber bis Kriegsende viel weniger Know-how vereinigt werden konnte, kam es erst 1949 zum ersten erfolgreichen Test. Die Deutschen lagen 1945 noch weiter hinter den USA zurück.
Hätte Hitler den Krieg mit der Atombombe gewonnen?
Wohl kaum. Wäre dem Dritten Reich die Entwicklung der Bombe zuerst gelungen, hätte sie Hitler wohl auch eingesetzt. Geht man ebenfalls von zwei Atombomben aus, so hätte man damit aber wohl weder die USA noch die Sowjetunion in die Knie zwingen können.
Wie wichtig ist heute für eine Weltmacht die Atombombe?
Je nachdem, wie man Weltmacht definiert. Es gibt ökonomische Weltmächte wie Deutschland und Japan, die nicht über die Atombombe verfügen.
Für eine sicherheitspolitische Weltmacht ist sie aber wichtig. Zum einen kann damit eine glaubwürdige Abschreckung aufrechterhalten werden, vor allem wenn man über eine «Zweitschlagfähigkeit» verfügt, also über Atomwaffen, die nicht durch einen «Erstschlag» ausgeschaltet werden können. Zum andern verleiht die Atombombe politisches Prestige und Einfluss.
Würde Russland Atomwaffen einsetzen, wenn es die Gegendrohung durch die USA bzw. die Nato nicht gäbe?
Der aktuellen Führung im Kreml wäre das leider zuzutrauen.
Wie gross ist die Gefahr eines russischen Atomschlags im Ukraine-Krieg?
Nicht gross, glaubt man der Fachwelt. Drei Szenarien stünden demnach im Vordergrund:
«Strategischer» Einsatz gegen einen Nato-Staat: Dies ist äusserst unwahrscheinlich, weil es den Artikel 5 der Nato aktivieren und zu einer massiven (konventionellen) Antwort führen würde. Mit der Gefahr einer Eskalationsspirale, die für Russland katastrophale Folgen hätte.
«Taktischer» Einsatz in der Ukraine zwecks Durchbruchs an der Front oder Erzwingung der Kapitulation: ebenfalls sehr unwahrscheinlich, weil in dieser Wirkung ungewiss und hochriskant. Die USA würden wohl massiv, wenn auch konventionell antworten – zum Beispiel mit der Versenkung der russischen Schwarzmeerflotte.
Nuklearer «Demonstrationsschlag» im internationalen Raum (zum Beispiel Ostsee) oder über neutralem Gebiet nahe der Nato-Grenze: ebenfalls unwahrscheinlich, weil dies, wie jede Erstverwendung der Bombe, Russland international noch weiter isolieren würde.