Joe Biden gegen Xi Jinping
Wer beherrscht die wässrigen Weiten des Indopazifiks?

Der Indopazifik gleicht einer gigantischen Netzwerk-Party mit zwei Gastgebern. Doch der wichtigste Gast will sich einfach nicht entscheiden. Eine Analyse.
Publiziert: 21.04.2023 um 00:39 Uhr
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Aktualisiert: 21.04.2023 um 06:13 Uhr
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Der Indopazifik hat wundervolle Ecken zu bieten, etwa die Malediven.
Foto: NurPhoto via Getty Images
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

«Hic sunt dracones» («Hier sind die Drachen»), schrieben die Kartografen noch im 16. Jahrhundert über das riesige Gebiet des Indopazifiks. Das zeigt: Die Region zwischen der indischen Ost- und der amerikanischen Westküste war ein weisser Flecken für die Weltherrscher. Keinen hats interessiert.

Heute: Das pure Gegenteil. Die Supermächte Amerika und China stehen in einem Wettstreit um die Gunst der rund vier Milliarden Menschen, die den Indopazifik ihre Heimat nennen. Ein Grossteil der weltweit gehandelten Güter wird durch die wässrigen Weiten des Gebiets geschifft, das mehr als die Hälfte unserer Erdkugel ausmacht.

Gefährliche Finanzspritzen aus Peking

Und während sich Europa noch immer nach einer Strategie für den Umgang mit der Weltregion umschaut, machen Peking und Washington ernst. Xi Jinping (69) und Joe Biden (80) konkurrieren hier um Einfluss und neue Freunde, als obs um alles ginge. Der Indopazifik gleicht einer geopolitischen Netzwerk-Party mit zwei konkurrierenden Gastgebern.

Gastgeber China, der mit seinem Säbelrasseln (siehe Taiwan) klarmacht, dass man auch anders könnte, wenn man wollte, hat auf den ersten Blick ein attraktives Angebot: schnelle Wirtschaftshilfe ohne allzu viele Fragen. Angebissen hat etwa Sri Lanka – und auf den zweiten Blick gemerkt, dass es sich durch die Finanzspritzen horrende Staatsschulden auflädt. Konsequenz: China erliess dem Inselstaat die Schulden und sicherte sich im Gegenzug die Kontrolle über den grössten Hafen des Landes.

Gastgeber Amerika ist da etwas knausriger. Die Freihandelsabkommen, die sich viele indopazifische Staaten seit Jahren wünschen, sind nirgendwo zu sehen am weiten Horizont. Dafür wirbt Amerika mit allerhand schwammigen Initiativen (etwa dem Versprechen, einen «freien und offenen Indopazifik» schaffen zu wollen).

Indien geht den dritten Weg

Indien, seit dem 15. April das grösste Land der Welt und seit jeher der anspruchsvollste Gast an der Indopazifik-Party, lässt das alles kalt. Die grossen Probleme der Welt – also Klimawandel, Pandemien und Terrorismus – könne man eh nur lösen, wenn alle gemeinsam anpackten, sagte Indiens Premier Narendra Modi (72) jüngst. Sich für den chinesischen Weg oder den amerikanischen Traum zu entscheiden, lohnt sich für Indien genauso wenig wie für viele andere indopazifische Staaten.

Der Indopazifik wird auf Dekaden hinaus eine Pufferzone bleiben: geeint in Unentschlossenheit, mit offenen Ohren für Angebote und Deals von links und rechts. Nicht unähnlich der Schweiz. Nur verdammt viel grösser.

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