Woher kommt das Virus, das die Welt in Atem hält? Diese Frage ist auch nach anderthalb Jahren nicht geklärt. Zuletzt befeuerte US-Präsident Joe Biden (78) die Laborunfall-These erneut: Ende Mai bat er seine Geheimdienste, innerhalb von 90 Tagen einen Bericht zum Ursprung der Corona-Pandemie zu erstellen.
China tobt. Und das renommierte Institut für Virologie in Wuhan kämpft um seinen Ruf. Denn: Die USA haben die Sicherheit des Labors infrage gestellt und den Wissenschaftlern vorgeworfen, sich an umstrittener Forschung beteiligt zu haben, bei denen Viren manipuliert worden seien.
Jetzt äussert sich die Virologin Danielle Anderson (42) zu den Vorwürfen. Die Australierin arbeitete noch kurz vor dem Corona-Ausbruch in dem Hochsicherheitslabor – als bisher einzige Ausländerin.
«Es war ein ganz normales Labor»
In einem Interview mit «Bloomberg» beschreibt die Fledermausviren-Expertin, dass die Arbeit in dem Labor viel routinemässiger zugegangen sei als in den Medien dargestellt.
«Es war nicht langweilig dort, aber es war ein ganz normales Labor, das genau so funktionierte wie jedes andere Hochsicherheitslabor auch», sagte Anderson. «Was die Leute sagen, stimmt einfach nicht.»
Anderson forschte nach einem Bericht von Bloomberg als bislang einzige ausländische Wissenschaftlerin im BSL-4-Labor des Instituts für Virologie in Wuhan – dem ersten auf dem chinesischen Festland, das für den Umgang mit den tödlichsten Krankheitserregern unseres Planeten ausgestattet ist.
Anderson hatte gutes Verhältnis zu den anderen Wuhan-Forschern
Seit 2016 arbeitete sie mit den Wuhan-Forschern zusammen, ihr letzter Einsatz dort endete im November 2019 – damals begann sich das Virus nach Einschätzung von Experten etwa auszubreiten. Wie wohl sonst niemand unter den westlichen Forschern hat sie einen Einblick in die Arbeit des 65 Jahre alten Forschungszentrums.
Anderson gehörte nach eigenen Angaben zu einer Gruppe, die sich jeden Morgen bei der Chinesischen Akademie der Wissenschaften traf, um den Bus zu nehmen, der sie zum gut 30 Kilometer entfernten Institut brachte. Als einzige Ausländerin sei sie herausgestochen, erzählt Anderson «Bloomberg». Die anderen Forscher dort hätten auf sie geachtet.
«Wir gingen zusammen essen, wir sahen uns auch ausserhalb des Labors», sagte sie.
Das Labor habe sie von Anfang an «beeindruckt»: Das Betongebäude im Bunkerstil habe die höchste Biosicherheitskennzeichnung. Luft, Wasser und Abfall würden gefiltert und sterilisiert, bevor sie die Anlage verlassen. Es gebe strenge Protokolle und Anforderungen, um Krankheitserreger in Schach zu halten.
Forscherin befürwortet Laborunfall-Untersuchung
Die Forscher durchliefen laut Anderson eine 45-stündige Ausbildung, um für die selbstständige Arbeit im Labor zertifiziert zu werden, und mussten ihre entsprechenden Kenntnisse wie etwa den Umgang mit Luftdruckanzügen nachweisen. «Es war sehr, sehr umfangreich», sagt Anderson über die Schulungen.
Auch das Betreten und Verlassen des Hochsicherheitslabors sei streng nach Vorschrift erfolgt. Eine massgeschneiderte Methode zur Herstellung eines Desinfektionsmittels habe sie sogar für ihr eigenes Labor übernommen.
Auch Anderson hält es grundsätzlich für möglich, dass das Virus aus dem Labor «entkommen» ist und befürwortet eine genaue Untersuchung – allerdings hält sie es für extrem unwahrscheinlich.
Sie habe am Wuhan-Institut niemanden gekannt, der gegen Ende 2019 krank gewesen sei. «Wenn Leute krank waren, nehme ich an, dass ich selbst auch krank gewesen wäre – und das war ich nicht», sagte sie. «Ich wurde in Singapur auf Corona getestet, bevor ich geimpft wurde, und hatte es nie gehabt.» (kin)