Sie bringen den Verkehr zum Erliegen, behindern Ambulanzen auf Einsatzfahrt, besetzen Banken und beschmieren teure Kunstwerke: Den Klimaaktivisten gehen bei ihren Protesten gegen die Klimaerwärmung die Ideen nicht aus. Sie schrecken vor nichts zurück. Auch Bussen lassen die Aktivisten nicht von ihrem kriminellen Vorgehen abhalten.
Der deutsche Verfassungsschutz beobachtet die Szene, der schweizerische Nachrichtendienst warnt vor einer Radikalisierung. Auch Terrorismusexperten beschäftigen sich mit der neuen Strömung. So hat das Europäische Institut für Terrorismusbekämpfung und Konfliktprävention (EICTP) in Wien sein Forschungsprojekt als Buch «Zwischen zivilem Ungehorsam und Militanz – Die radikale Klimaschutzbewegung und ihr extremistisches Potenzial» herausgegeben.
Der Österreicher Nicolas Stockhammer (48) ist Wissenschaftlicher Leiter der Forschungsabteilung Counter-Terrorism, Countering Violent Extremism and Intelligence an der Donau-Universität Krems (Ö). Nebst seiner Lehr- und Forschungstätigkeit begleitet er auch Projekte im österreichischen Verteidigungsministerium.
Der Österreicher Nicolas Stockhammer (48) ist Wissenschaftlicher Leiter der Forschungsabteilung Counter-Terrorism, Countering Violent Extremism and Intelligence an der Donau-Universität Krems (Ö). Nebst seiner Lehr- und Forschungstätigkeit begleitet er auch Projekte im österreichischen Verteidigungsministerium.
Im Interview mit Blick erklärt Herausgeber Nicolas Stockhammer (48), Politikwissenschaftler mit Fokus auf Extremismus- und Terrorismusforschung, wie gefährlich die Aktivisten sind und wie man sie stoppen kann.
Was geht Ihnen jeweils durch den Kopf, wenn Sie von Aktionen der Klimakleber lesen?
Nicolas Stockhammer: Ich denke, dass die Wahl des Protestmittels zwar Aufmerksamkeit generiert, aber nicht sehr zielorientiert ist und auch bei der Politik nicht gut ankommt.
Wie würden Sie reagieren, wenn Sie selber an vorderster Stelle im Stau vor Klimaklebern stehen müssten?
Ich wäre verärgert, wenn ich einen Termin hätte, aber würde die Sicherheitsbehörden ihre Arbeit verrichten lassen. Jemanden von der Strasse zerren, ist die falsche Strategie. Wer mit Gewalt antwortet, gibt diesen Leuten eine Legitimation für weitere Schritte.
Wie extrem ist die Klimabewegung?
Man muss unterscheiden, denn die Szene ist sehr heterogen. Es geht von Greta Thunbergs gemässigten «Fridays for Future» über die «Letzte Generation» und «Extinction Rebellion» bis zur radikalen Gruppierung «Ende Gelände».
Welches Gewaltpotenzial steckt in ihnen?
Die grosse Mehrheit ist friedlich. Wir sprechen von einer Radikalisierung von fünf bis acht Prozent der Anhänger, die auch ein Extremismuspotenzial bergen. Wenn Demonstranten im deutschen Lützerath die Polizei mit Steinen und Molotowcocktails angreifen oder auf dem Flughafen Berlin Brandenburg die Landebahn besetzen und so die Sicherheit und Menschenleben gefährden, enthält das definitiv eine extremistische Komponente. Es ist wichtig, diese Szene zu beobachten.
Für wie extrem halten Sie Klimakleber?
Es muss einem nicht gefallen, wenn sich jemand auf die Strasse klebt oder das Schutzglas eines Gemäldes besprüht. Aber dies sind friedfertige Proteste, die im Rahmen der verfassungsmässigen Rechte und Grundrechte auch garantiert sind und somit eine gewisse Legitimation haben.
Wie wird sich die Bewegung weiter entwickeln?
Es gibt Akteure wie den Deutschen Tadzio Müller, der sagt, dass Radikalisierung eine legitime Notwehr sei. Radikale zerstören heute Baumaschinen, irgendwann werden sie noch mehr Gewalt anwenden, wenn sich in ihren Augen zu wenig bewegt und sie das Gefühl haben, dass wir ins Verderben stürzen.
An welche Gewalt denken Sie konkret?
Es könnte zu Sabotageakten und Gewalt gegen Gegenstände und Menschen kommen. Es kann auch bei Klimaklebern zu einer Eskalation kommen, wenn zum Beispiel einer von ihnen verhaftet wird. Dann stehen wir in der Geschichte am Anfang der Roten Armee Fraktion, wo Leute freigepresst worden sind. Es ist alles denkbar.
Wie gross ist die Gefahr einer Unterwanderung der Klimabewegung durch Extremisten?
Das ist das Hauptproblem. Zum Teil haben linksextreme Akteure die Bewegung bereits gekapert. Sie schrecken vor Gewalt nicht zurück und feuern die Szene weiter an. Ein Beispiel ist die Interventionistische Linke. Das Klima-Thema ist heute attraktiver, um aufzurütteln und neue Leute zu rekrutieren, als marxistische Themen.
Auf Klima-Demonstrationen springen auch andere Gruppierungen auf. Man sieht Parolen für Frauenrechte, Kurden und gegen den Kapitalismus.
Das ist so. Am Kurfürstendamm in Berlin wurden Luxusmodeschäfte mit oranger Farbe überschüttet und Plakate mit der Aufschrift «Euer Luxus = Unser Klimakollaps» getragen. Dem Kapitalismus wird die Schuld für den Klimanotstand gegeben. Daher halten gewisse Leute einen Systemumsturz für legitim.
Viele Leute ärgern sich über Klimademos. Bringen sie dem Klima wirklich etwas oder sind sie nicht eher kontraproduktiv?
Die Thunberg-Bewegung hat mit ihren Provokationen sicher zur Bewusstseinsbildung beigetragen und die Politik bewegt. Die Frage ist, was Aktivisten wie Klimakleber bringen. Ich sehe in diesen Aktionen ausschliesslich das Generieren von Aufmerksamkeit.
Man liest immer wieder, dass Klimaaktivisten für ihre Einsätze bezahlt werden und auch, dass gewisse in ihrer Freizeit lange Flugreisen unternehmen. Kann man die Bewegung überhaupt ernst nehmen?
Ich bin der Meinung, dass man das Berufsdemonstrieren verbieten sollte. Ein solches Geschäftsmodell widerspricht dem freien Recht auf Demon
stration und der freien Meinungsäusserung. Hier stehen teilweise Menschen auf der Strasse, die selber gar nicht zu hundert Prozent hinter dem Anliegen stehen.
Wie soll man mit radikalisierten Klimaaktivisten umgehen?
Mit Apokalyptikern kann man den Diskurs suchen. Schwieriger wirds mit den Militanten. Bei ihnen muss man mit den Mitteln des Rechtsstaates vorgehen und strafrechtlich einwirken. Oder man muss sie deradikalisieren, wozu es aber geschulte Fachleute braucht.
Sollen Klimaaktivisten auf jeden Fall zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie gegen das Gesetz verstossen?
Auf jeden Fall. Es ist niemand dazu berechtigt, bei Autos die Luft aus den Reifen zu lassen und damit einen Unfall zu provozieren. Vor dem Gesetz müssen alle gleich sein. Auch wenn sich Klimaaktivisten verpflichtet fühlen, so zu handeln.