«Beide Kandidaten sind Lügner»
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Brasilianerin zu den Wahlen:«Beide Kandidaten sind Lügner»

«Jede Stimme für Lula ist eine weniger für Bolsonaro»
So blickt die brasilianische Jugend auf die Wahlen

Am 2. Oktober finden in Brasilien Wahlen statt, die über die Zukunft des Landes entscheiden. Das betrifft vor allem die junge Generation. Wie schaut sie auf die Wahlen? Wir haben vier 19-Jährige gefragt.
Publiziert: 22.09.2022 um 16:54 Uhr
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Aktualisiert: 22.09.2022 um 18:56 Uhr
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Luiz Inácio «Lula» da Silva (76) ist ehemaliger Präsident Brasiliens.
Foto: Getty Images
Lena Heimhalt

Brasilien ist tief gespalten. Auf der einen Seite in das rechte und linke politische Lager, auf der anderen Seite in politisch Interessierte und Politik-Verdrossene. Am 2. Oktober finden Wahlen statt: Es kandidieren die beiden Populisten Jair Bolsonaro (67) und Luiz Inácio «Lula» da Silva (76). Ihre Positionen im politischen Spektrum könnten verschiedener kaum sein. Umso ähnlicher sind sie sich in ihrer Art, Politik zu machen.

Der amtierende Präsident Jair Bolsonaro (67) tritt für die liberale Partei «Partido Liberal» an. Umstritten ist er vor allem wegen seiner rechtsradikalen Ansichten, seiner laxen Corona-Politik und seinem Liebäugeln für die Errichtung einer Militärdiktatur.

Luiz Inácio «Lula» da Silva (76) ist nicht weniger bekannt – oder berüchtigt. Er war von 2003 bis 2011 Präsident und vor allem für umfangreiche Sozialprogramme bekannt. Kritisiert wurde er allerdings auch dafür, dass er zwar die Armut bekämpfe, doch nicht deren Ursache. Er tritt für die sozialdemokratische Arbeiterpartei «Partido Trabalhador» an. Vor einigen Jahren wurde er wegen eines Korruptionsskandals verurteilt und verbrachte fast zwei Jahre im Gefängnis.

Zwischen den beiden stehen vier Jugendliche, die einer unsicheren Zukunft entgegenschauen. Wie stehen sie zu der bevorstehenden Wahl? Was sind ihrer Meinung nach die grössten Probleme Brasiliens und was erhoffen sie sich von den Wahlen und ihrem künftigen Präsidenten? Wir haben sie gefragt.

«Wir sollten ein grosses Ziel haben: Bolsonaro absetzen.»

Die grosse Frage vor der Wahl sei nicht Lula oder Bolsonaro, sagt Sofia Takayama (19) aus São Paulo, sondern, «wer unterstützt den Präsidenten und wer nicht.» Für sie ist der Fall klar: «Wir sollten ein grosses Ziel haben: Bolsonaro absetzen.» Takayama wird darum definitiv für Lula stimmen. «Eine Stimme für ihn ist eine weniger für Bolsonaro.»

Auch Ana Becker (19) ist unzufrieden mit ihrem Präsidenten. «In seiner Amtszeit ist Brasilien wieder auf die Hungerkarte der Uno zurückgekehrt.» Becker wird ebenfalls für den ehemaligen Präsidenten abstimmen. «Ich hoffe und glaube auch, dass Lula gewinnt. Als er Präsident war, hat er unserem Land sehr geholfen und ich denke, er kann es auch jetzt.»

Auch Lula ist unbeliebt – «Ich finde beide Spitzenkandidaten furchtbar»

Doch nicht alle sind so euphorisch, was Lula betrifft. «Der Korruptionsskandal um Lula liess ihn viel Vertrauen einbüssen», glaubt Becker. «Viele sind gegen Bolsonaro, doch auch viele gegen Lula», erklärt auch Matheus Cantador (19) aus Curitiba.

«Ich finde beide Spitzenkandidaten furchtbar», sagt Eduarda Araujo (19) aus Curitiba. «Ich hoffe, dass sich das Blatt wendet und ein dritter Kandidat doch noch die Führung übernimmt. Aber ich weiss, das ist sehr unwahrscheinlich.»

In aktuellen Umfragen erhält Lula etwa 40 Prozent der Stimmen, Bolsonaro 36 und der dritte Kandidat, der ausserhalb Brasiliens relativ unbekannte Ciro Ferreira Gomes gerade einmal 8 Prozent. «Der ideologische Grabenkampf führt dazu, dass diese Wahl nur zwei Protagonisten hat. Für die anderen Kandidaten abzustimmen, wäre sinnlos», ist sich Takayama sicher.

«Die Menschen sind müde»

Die Auswahl zwischen «Pest oder Cholera» fördert am Ende vor allem die Politikverdrossenheit in Brasilien. «Viele Menschen sind apolitisch», sagt Araujo. Die Hoffnungen der Wähler wurden immer und immer wieder enttäuscht. Dass Wahlen etwas grundlegend verändern? Daran glauben nicht mehr viele. «Die Menschen wollen und können sich kein gutes Szenario mehr vorstellen. Sie sind müde», so Araujo. «Solche Diskussionen haben in der Vergangenheit sogar Familien gespalten. Darum wird häufig auch gar nicht über Politik gesprochen.»

Könnten die vier jungen Erwachsenen es beeinflussen, sie würden vieles im Land verändern – angefangen bei den Politikern. «Die Kandidaten dürfen nicht mehr nur leere Versprechungen in schöne Worte verpacken, sondern müssen umsetzbare Aktionen vorschlagen», fordert Araujo. Der künftige Präsident soll vor allem den Amazonas schützen, seine Bevölkerung nicht betrügen und an die Zukunft des Landes denken. Und: «Es muss dringend gegen Korruption vorgegangen werden, sie hat unserem Land viel Schaden zugefügt.»

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