Italiens Regierungschefin verdirbt es sich mit Frankreich
Meloni brauchte nur drei Wochen für den ersten Eklat

Sie hatten auf eine gute Zusammenarbeit gehofft. Doch es kam anders. Italiens rigide Flüchtlingspolitik und eine ungeschickte öffentliche Erklärung aus Rom verärgern Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Publiziert: 13.11.2022 um 18:00 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2022 um 11:04 Uhr
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Hilferufe vom deutschen Flüchtlingsschiff Geo Barents, nachdem Italien den Geretteten die Aufnahme verweigert hatte. Erst nach Protesten durften die Bootsflüchtlinge auf Sizilien von Bord.
Foto: keystone-sda.ch

Atlantikbündnis, EU-Werte, Sanktionen gegen Moskau. Bereits im Wahlkampf signalisierte Giorgia Meloni (45) der westlichen Welt Unterstützung und Partnerschaft. Besonders Emmanuel Macron (44) hoffte auf gute bilaterale Beziehungen zur ersten Regierungschefin Italiens. Doch nur drei Wochen nach Melonis Amtsantritt stehen die Nachbarn bereits vor einem diplomatischen Scherbenhaufen. Grund: die Flüchtlingspolitik der neuen Rechtsregierung in Rom.

Beide Länder wollen von der EU einen Gaspreisdeckel und weitere Milliardenkredite gegen die eigene Energie- und Wirtschaftskrise – ein neues Hilfspaket, das einige EU-Länder ablehnen, darunter das mächtige Deutschland. Macron setzte auf einen strategischen Schulterschluss mit Italien. Und so war der französische Präsident auch gleich der erste ausländische Staatschef, der die frisch ernannte Premierministerin in Rom besuchte.

Flüchtlingsschiffe durchkreuzen Macrons Pläne

Dann tauchen in Italien vier Flüchtlingsrettungsschiffe auf. Und die Welt, vorneweg Emmanuel Macron, wird daran erinnert, wer Giorgia Meloni eigentlich ist: die Führerin der ultrarechten «Brüder Italiens» und Chefin einer rechtspopulistischen Koalition.

Die neue Regierung schliesst die Häfen für die Rettungsschiffe. Die meisten an Bord seien keine Verfolgten, sondern Einwanderer, so die Begründung. Nach europaweiten Protesten dürfen drei der Schiffe «aus humanitären Gründen» schliesslich anlegen. Die Ocean Viking der Organisation SOS Méditerranée wird jedoch fortgeschickt. Das Schiff mit 234 aus Seenot Geretteten steuert daraufhin Frankreich an. Es darf am Freitagmorgen in Toulon anlegen. Die Bootsflüchtlinge sollen auf Frankreich, Deutschland und andere EU-Länder verteilt werden.

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Dankesschreiben sorgt für Eklat

Die italienische Regierung bedankt sich in einem öffentlichen Schreiben für «die Entscheidung Frankreichs, sich an der Verantwortung für die Flüchtlingsnot zu beteiligen, die Italien und einige andere Mittelmeerstaaten bislang alleine schultern müssen».

Paris reagiert verärgert. Die Aufnahme der Ocean Viking sei eine einmalige Geste gewesen, betont der französische Innenminister Gérald Darmanin (40) sogleich, Italien habe unmenschlich gehandelt. Im Juni war an einer EU-Konferenz ein Solidaritätspakt beschlossen worden, der eine Verteilung von Flüchtlingen auf EU-Länder auf freiwilliger Basis vorsah. Danach wollten Frankreich und Deutschland noch in diesem Jahr je 3500 Flüchtlinge aus Italien aufnehmen.

Damit sei nun Schluss, erklärte Darmanin postwendend. Auch Deutschland und die anderen EU-Staaten sollten den Mechanismus auf Eis legen, fordert der französische Innenminister. Zudem schickt Gérald Darmanin 500 Polizeibeamte an die zehn Grenzübergänge zu Italien, um die Einreise von Flüchtlingen aus Italien zu verhindern.

Der Grund für die grosse Aufregung: Bei den Parlamentswahlen im Juni 2022 hat Präsident Emmanuel Macron die absolute Mehrheit verloren und muss sich fortan mit einer starken rechtspopulistischen Opposition herumschlagen, dem Rassemblement National von Marine Le Pen (54). Der Umgang mit Flüchtlingen ist daher auch für Macron ein politischer Drahtseilakt.

Für Giorgia Meloni kommt der Eklat zu einem undenkbar schlechten Zeitpunkt. Italien hat mit den Nachwehen der Corona-Lockdowns zu kämpfen, ist hoch verschuldet und braucht dringend weitere EU-Finanzspritzen. Doch in Sachen Flüchtlinge bleibt die neue Regierung hart. So fordert Innenminister Matteo Piantedosi (54), dass jene Länder, unter deren Flaggen die Rettungsschiffe kreuzen, für die Bootsflüchtlinge zuständig sein sollten. Zudem wird wieder erwogen, NGO-Schiffe zu beschlagnahmen, die in Italien anlegen, und ihre Kapitäne anzuklagen.

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