Israelischer Wissenschaftler
Antikes griechisches Medikament soll Corona-Todesfälle verringern

Ein antikes Medikament soll Covid-Todesfälle um die Hälfte verringern. Das sagt ein israelischer Wissenschaftler. Erste Studien seien «vielversprechend». Die Arznei ist billig, nur in geringer Tagesdosis einzunehmen und gut verträglich. Hoffnung oder Hype?
Publiziert: 24.12.2021 um 02:00 Uhr
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Aktualisiert: 24.12.2021 um 07:19 Uhr
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Die Herzbstzeitlose, auch Giftkrokus genannt: Aus der Blume wird der Giftstoff Colchicin gewonnen, der in geringer Dosis seit Gedenken als Medizin Verwendung findet.
Foto: Keystone

Israel scheint dem Rest der Welt jeweils einen Schritt voraus, was die Bekämpfung von neuen Covid-Wellen betrifft. Das Land beginnt bald die vierte Impfkampagne. Ein erstes Pilotprogramm mit 200 Freiwilligen läuft. Die vierte Injektion soll frühestens vier Monate nach dem ersten Booster erfolgen können.

Ob die Strategie funktioniert, bleibt offen. Sollte das Land mit einer weiteren Impfung und auch der Durchimpfung von Kindern die fünfte Welle ebenso erfolgreich beenden können wie die vierte, dann wird sich der Rest der Welt wohl vermehrt nach Tel Aviv richten – um nach Delta auch Omikron und wahrscheinlich weitere Varianten in die Schranken zu weisen.

Israel geht dabei mit militärischer Präzision und Logistik vor, immer auch führend mit wissenschaftlicher Evidenz . Umso ungewöhnlicher klingt daher der Vorschlag von einem renommierten israelischen Wissenschaftler, Covid-Todesfälle mit einem antiken griechischen Medikament zu verringern. «Die ersten Ergebnisse sind, gelinde gesagt, vielversprechend», sagt Professor Ami Schlattner.

Antikes Medikament überlebt bis in die Neuzeit

Colchicin wurde erstmals in einem altägyptischen Papyrus aus dem Jahr 1550 v. Chr. erwähnt. Das alte griechische Medikament wird aus der Herbstzeitlosen gewonnen, die leicht mit der Safranpflanze zu verwechseln ist. Die Arznei könnte offenbar die Behandlung von Menschen mit schwerem Covid-19 verbessern und die Sterblichkeitsrate um fast die Hälfte senken. Dies geht aus einer Studie von Mediziner Schattner hervor, die schon im Oktober im European Journal of Internal Medicine veröffentlicht wurde. «Colchicin – neue Horizonte für ein altes Medikament», lautet der Titel. Erste Ergebnisse würden auf ein vielversprechendes Wirkungspotenzial bei Covid-19 hindeuten.

Das Medikament Colchicin geht auf das alte Griechenland und Ägypten zurück, wo es für seine besondere Heilwirkung bekannt war. Es ist offenbar eines der wenigen Medikamente, die bis in die Neuzeit überlebt haben. Die Samen und Knollen der Herbstzeitlosen wurden schon im Altertum als Arznei verwendet: Deren Giftstoff Colchicin fand schon im Byzantinischen Reich vor 2000 Jahren gegen Gicht Verwendung. Auch in jüngster Zeit wird Colchicin zur Behandlung und Vorbeugung von Entzündungen eingesetzt, die durch Gicht verursacht werden und zu schmerzhafter Arthritis und Familiärem Mittelmeerfieber (FMF) führen können, einer Erbkrankheit, die bei jüdischen Menschen nordafrikanischer Herkunft häufig vorkommt.

In jüngster Zeit wird das Medikament auch bei der Behandlung von Schwellungen um das Herz herum und nach Herzoperationen verwendet, um sogenanntem Vorhofflimmern vorzubeugen. Vorsicht bei Überdosierung: Neben starken Nebenwirkungen kann eine Dosis von rund 20 Miligramm Colchicin, was etwa fünf Gramm Herbstzeitlosensamen entspricht, zum Tod durch Atemlähmung und Kreislaufversagen führen. Die Herbstzeitlose ist daher auch als Giftkrokus bekannt. Gegen schwere Covid-Verläufe werden laut Forscher Schattner jedoch bloss minime Dosen unter einem Milligramm benötigt.

Angeblich 50 Prozent weniger Todesfälle

Schattner untersuchte und analysierte Patienten, die in den letzten 20 Jahren in kontrollierten Studien mit diesem alten Medikament behandelt wurden. Er fand heraus, dass Colchicin unter seinen Anwendungen und potenziellen Einsatzmöglichkeiten auch bei der Behandlung von Covid-19 wirksam zu sein scheint.

Laut Schattner wurden bislang vier kontrollierte Studien mit rund 6000 Coronavirus-Patienten über die Wirkung von Colchicin veröffentlicht. Alle zeigten eine «erhebliche Verbesserung der schweren Coronavirus-Indizes und vor allem einen Rückgang der Sterblichkeit um etwa 50 Prozent im Vergleich zu denjenigen, die nicht mit Colchicin behandelt wurden», wird Schattner von der «Jerusalem Post» zitiert.

Hype oder Hoffnung?

Das Medikament ist offenbar billig, gut verträglich und eine kleine Tagesdosis von einem halben Milligram genügt laut Schattner. Colchicin wird demnach auch bei der Behandlung von Corona-Fällen in Kanada, Griechenland, Südafrika, Spanien und Brasilien in doppelblinden Placebo-Studien getestet. Doppelblind bedeutet, dass weder der Patient noch Arzt weiss, wer welche Therapie erhält, was die Wahrscheinlichkeit der Genauigkeit erhöht. Schattner: «Die Ergebnisse waren beeindruckend.»

Das Medikament sei für Patienten und das Gesundheitswesen kostengünstig, so Schattner. Obwohl noch weitere Studien notwendig seien, dies würde ihn nicht daran hindern, Colchicin bereits bei Patienten mit schwerem Verlauf einzusetzen, um ihre Überlebenschancen zu erhöhen. Es gebe seiner Ansicht nach keinen Grund, warum das Medikament nicht schon jetzt eingesetzt werden könne. Schattner: «Wenn wir es bei Corona-Patienten einsetzen, haben wir nichts zu verlieren und viel zu gewinnen.»

In einer Antwort auf die Schattner-Studie schreiben Wissenschaftler, es sei unklar, ob es sich bei Colchicin um «Hype oder Hoffnung» handelt. Die Rolle von Fettleibigkeit und/oder Diabetes gehöre genauer untersucht. Der Anteil von solchen Risikopatienten sei in den bestehenden Studien zu gering gewesen, um den Nutzen von Colchicin gegen Sterblichkeit festzustellen. Übergewichtige und zuckerkranke Patienten machen bekanntlich einen Grossteil von schwerwiegenden Covid-Fällen aus. «Die mässige Qualität der Nachweise deutet darauf hin, dass die zusätzliche Gabe von Colchicin zur Standardtherapie bei Patienten mit Covid-19 keinen Nutzen bringt», schreiben die Autoren in einem eigenen Forschungspapier . (kes)

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