Israel und USA werfen dem Iran Bruch des Atomabkommens vor, Europäer widersprechen
Rätsel um Netanjahus Bombenschrank

In einem bizarren Auftritt warf Israels Benjamin Netanjahu dem Iran den Bruch des Atomabkommens vor. Die Amerikaner sprangen ihm sogleich zur Seite. Es droht eine Zuspitzung der Krise im Nahen Osten.
Publiziert: 01.05.2018 um 23:39 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:25 Uhr
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US-Aussenminister Mike Pompeo.
Foto: Salah Malkawi
Johannes von Dohnanyi

Im Streit um das Atomabkommen mit dem Iran hat Benjamin Netanjahu (68) den Druck erhöht. Am Montagabend präsentierte der israelische Ministerpräsident vor Journalisten den Inhalt eines in einem Lagerhaus in Teheran erbeuteten Geheimarchivs. Demnach läuft das unter dem Decknamen «Projekt Amad» laufende nukleare Waffenprogramm bis heute weiter.

Nach über zehnjährigen Verhandlungen hatte sich der Iran im Jahr 2015 mit den USA, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Russland und China geeinigt. Teheran musste unter anderem die Zahl der Zentrifugen drastisch reduzieren, die zur Anreicherung von Uran gebraucht werden. Bereits hoch angereichertes Uran wurde nach Russland gebracht. Teheran hatte auch unangemeldeten Inspektionen seiner Nuklearanlagen durch die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) in Wien zugestimmt.

«Keine glaubhaften Beweise»

Bisher, so heisst es in Wien ebenso wie in Berlin, Paris und Brüssel, hat sich der Iran an diese Vorgaben gehalten. Es gebe, widersprach ein IAEA-Sprecher am Dienstag der israelischen Behauptung, seit 2009 «keine glaubhaften Beweise» für ein iranisches Atombomben-Programm. Auch die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini (44) sieht in den Dokumenten nichts Neues. Der Vertrag mit Teheran dürfe nicht in Frage gestellt werden.

Doch genau dies tut US-Präsident Donald Trump (71). Er hält das Iran-Abkommen für «den schlechtesten Deal aller Zeiten». Auch sein neuer Aussenminister Mike Pompeo (54) ist sich sicher: «Teheran hat die Welt immer nur belogen.» Spätestens am 12. Mai will Trump entscheiden, ob die USA aus dem Abkommen aussteigen.

Iran kritisiert «kindischen Auftritt»

Neuverhandlungen des Vertrags hat der iranische Präsident Hassan Rohani (69) bereits abgelehnt. Sein Aussenminister Dschawad Sarif (58) wies Netanjahus angebliche Beweiskette noch in der Nacht zum Dienstag als «kindischen Auftritt»  zurück. Mit keinem Wort aber gehen die Iraner bisher darauf ein, dass der Syrienkonflikt die geopolitische Lage im Nahen Osten dramatisch verändert hat.

Seit vielen Jahren schon unterstützen die Mullahs in Teheran die libanesische Hisbollah und die Hamas im Gazastreifen mit Geld und Waffen. Auch um die dafür nötigen Transportwege zu sichern, gehört der Iran zu den wichtigsten Verbündeten des syrischen Machthabers Bashar al-Assad (52). Inzwischen sind iranische Elite-Einheiten aber auch im syrischen Bürgerkrieg direkt im Einsatz – unweit der von ihrem Erzfeind Israel besetzten Golanhöhen.

Auch Nordkorea mischelt mit

Immer wieder fliegt die israelische Luftwaffe Angriffe auf iranische Stellungen in Syrien – zuletzt nur Stunden vor Netanjahus Pressekonferenz.

Israel und den USA geht es vor allem um die vom Iran – auch mit nordkoreanischer Hilfe – entwickelten Trägersysteme für Nuklearwaffen. Deshalb hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (40) ein Zusatzabkommen zur Begrenzung des iranischen Raketenprogramms vorgeschlagen.

Doch mit dieser Idee ist Macron in Washington und Teheran bereits abgeblitzt. Andere Vorschläge sind nicht in Sicht.

Das Zeitfenster zur Vermeidung einer weiteren ernsten Krise im Nahen Osten schliesst sich.

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