Internationale Atomenergiebehörde widerspricht Netanjahu
«Keine glaubwürdigen Hinweise» auf iranisches Atomwaffenprogramm

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat im Fernsehen angebliche Beweise für die Fortführung des iranischen Atomwaffenprogramms präsentiert. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hält diese nicht für glaubwürdig, wie sie mitteilt.
Publiziert: 01.05.2018 um 13:34 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:15 Uhr

Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) gibt es «keine glaubwürdigen Hinweise» auf ein iranisches Atomwaffenprogramm nach 2009. Dies teilte ein IAEA-Sprecher am Dienstag in Wien mit. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Montag angebliche Beweise für ein iranisches Atomwaffenprogramm präsentiert. Diese wurden von den USA anschliessend als glaubwürdig bezeichnet.

Netanjahu hatte im israelischen Fernsehen gesagt, sein Land habe Erkenntnisse, wonach der Iran ein «geheimes Atomprogramm» verfolge, das er jederzeit wieder aktivieren könne. Die Informationen stammen nach seinen Angaben aus einem «geheimen Atomarchiv» des Iran, aus dem Israels Geheimdienste vor wenigen Wochen Zehntausende Dokumente erhalten hätten.

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Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei seinem TV-Auftritt am Montagabend.
Foto: KEYSTONE/AP/SEBASTIAN SCHEINER

Der Ministerpräsident präsentierte keine Belege dafür, dass der Iran seit Abschluss des Atomabkommens 2015 aktiv am Bau einer Atombombe gearbeitet haben könnte. Dass ein geheimes Atomwaffenprogramm existiert, könne Israel nun aber mit «neuen und schlüssigen Beweisen» belegen. Die Dokumente seien Israel als «exakte Kopien» in Papier- oder CD-Format zugespielt worden.

«Aufgewärmter Bluff»

Nach der Präsentation Netanjahus bezichtigte der Iran diesen der Lüge. Die Anschuldigungen seien das Werk «eines eingefleischten Lügners, dem die Ideen ausgehen», erklärte das iranische Aussenministerium am Dienstag auf seiner Website.

Netanjahu habe nur «Lügen und Täuschungen zu bieten», erklärte Ministeriumssprecher Bahram Ghasemi. Die israelische Regierung sehe «keine anderen Möglichkeiten, um das Überleben ihres illegalen Regimes zu sichern». Es handle sich um einen «aufgewärmten Bluff».

Irans Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif sprach im Kurzbotschaftendienst Twitter von einem «perfekten Timing». Am 12. Mai muss US-Präsident Donald Trump entscheiden, ob die USA an dem Atomabkommen festhalten oder aussteigen. Er hatte mehrfach mit dem Ausstieg gedroht.

Trump: «Furchtbares Abkommen für die USA»

US-Aussenminister Mike Pompeo erklärte, die Unterlagen belegten frühere Lügen der iranischen Regierung, nie an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet zu haben. Übereinstimmend mit Vertretern anderer westlicher Regierungen urteilte der ehemalige CIA-Chef aber auch, ein Beleg für eine Verletzung des Atomvertrages von 2015 gehe daraus nicht hervor.

Trump bekräftigte seine Kritik, der Vertrag sei ein «furchtbares Abkommen für die USA». Der Iran werde nach sieben Jahren - dann läuft der Atomvertrag aus - wieder Atomwaffen entwickeln können. Dann würden sich Netanjahus Enthüllungen bewahrheiten.

Deutschland und Frankreich erklärten übereinstimmend, die von Netanjahu vorgestellten Unterlagen müssten zwar noch untersucht werden, aber schon jetzt stehe fest, dass sie die Notwendigkeit des Atomabkommens von 2015 bestätigten.

«Klar ist, dass die internationale Gemeinschaft Zweifel daran hatte, dass der Iran ein ausschliesslich friedliches Atomprogramm verfolgte», sagte ein deutscher Regierungssprecher. Aus diesem Grund sei das Atomabkommen geschlossen worden mit einem «präzedenzlos tiefgreifenden und robusten Überwachungssystem» der IAEA. Es sei essenziell, dass die IAEA das Einhalten des Abkommens überprüfen könne.

EU-Aussenbeauftragte zweifelt an Netanjahus Beweisen

Laut der EU-Aussenbeauftragten Federica Mogherini präsentierte Netanjahu bisher keine Beweise dafür, dass sich der Iran nicht an das Abkommen zum Verzicht auf Atomwaffen hält. Die Präsentation Netanjahus vom Montag habe die Vertragstreue der iranischen Führung laut ersten Berichten nicht infrage gestellt, teilte Mogherini am Montagabend mit.

Das Atomabkommen aus dem Jahr 2015 basiere auf konkreten Verpflichtungen, Überprüfungsmechanismen und einer strikten Kontrolle durch die IAEA. Diese habe schon zehn Berichte veröffentlicht, die dem Iran bestätigten, sich an die Abmachungen zu halten.

Falls irgendwer Informationen habe sollte, dass dies nicht der Fall sein könnte, solle er sich an die IAEA oder die gemeinsame Kommission der Vertragsparteien wenden, mahnte Moherini. Die IAEA sei die einzige unabhängige internationale Organisation, die für die technische Überwachung zuständig sei.

Im 2015 vereinbarten Atomabkommen hat der Iran sich verpflichtet, bis mindestens 2025 wesentliche Teile seines Atomprogramms drastisch zu beschränken - mit dem Ziel, dass das Land keine Atomwaffen entwickeln kann. Im Gegenzug wurden Sanktionen gegen Teheran aufgehoben. (SDA)

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