Mit dem Raketen-Hagel begannen auch die Krawalle. Wo Juden und Araber in Israel friedlich zusammenlebten, ist seit dem Start der Attacken am Montag aus Gaza und der heftigen Gegenreaktion der Israelis nichts mehr, wie es war. Die Strassenkämpfe werden immer heftiger – die politische Führung wertet die Gefahr gar grösser als den eskalierenden militärischen Konflikt mit den Nachbarländern.
«Wir haben jetzt keine grössere Bedrohung als diese Pogrome, und wir haben keine andere Wahl, als Recht und Ordnung durch entschlossenen Einsatz von Gewalt wiederherzustellen», sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (71) bei einem Besuch der Stadt Lod – einer der vielen Städte im israelischen Kernland, in denen ein hoher Anteil arabischer Israelis lebt.
Dort war es in den vergangenen Tagen zu Unruhen, Sachbeschädigungen und Verbrennungen von Autos gekommen – auch Einzelpersonen wurden angegriffen. Laut der Polizei wurden Steine und Molotowcocktails geschleudert.
Doch nicht nur in Lod zeigte sich, wie zerrissen die Gesellschaft über den frisch aufgeflammten Gaza-Konflikt ist. Landesweit kam es zu Angriffen durch Mobs, Razzien israelischer Sicherheitskräfte und Todesfällen.
Aufforderung per Chat: «Bei jedem Araber – zustechen»
Die Stimmung ist von beiden Seiten aufgeheizt. Ein Bericht von «Middle East Eye» zeigt, wie hoch das Gewaltpotenzial rechtsextremer Israelis ist. «Bring alles mit, Messer, Benzin», zitiert die Nachrichtenseite aus einer Chatgruppe mit mehreren Hundert Mitgliedern. «Hab keine Angst, wir sind die Auserwählten.» In einer anderen heisst es: «Bei jedem Araber, den du siehst – zustechen.»
In Tel Aviv wurden in der Nacht auf Freitag zwei Verdächtige mit Eisenstangen festgenommen – mehr Einzelheiten zu dem Fall gab die Polizei zunächst nicht bekannt. Auch in den Städten Beerscheva und Netanja wurden mehrere Personen festgenommen. In dem Ort Kalansawe in der Nähe des Westjordanlands untersucht die Polizei einen Vorfall, bei dem eine Polizeistation in Brand gesteckt worden sein soll.
Präsident warnt vor Bürgerkrieg
Am Mittwoch wurde im Norden des Landes ein jüdischer Einwohner von arabischen Demonstranten lebensgefährlich verletzt. Südlich von Tel Aviv attackierte eine jüdische Menge einen arabischen Einwohner mit Knüppeln. Seit Beginn der Ausschreitungen hat die Polizei insgesamt 750 Verdächtige festgenommen.
Das Land kämpfe «an zwei Fronten» hatte Regierungschef Netanyahu bereits in einer früheren Erklärung gesagt. Auch Israels Präsident Reuven Rivlin (81) warnt vor der innerisraelischen Eskalation: «Ein Bürgerkrieg wäre eine Gefahr für unsere Existenz, mehr als alle Gefahren, die wir von aussen haben.»
Der «Iron Dome», das Raketen-Abwehrsystem, mag die Israelis weitestgehend vor dem Raketenterror von aussen durch militante Palästinenser schützen. Doch darunter brodelt es.