Iran wählt neuen Präsidenten – moderater Rohani darf nicht mehr
Der brutale Jurist mit Blut an den Händen

Hammer für das iranische Volk: Ein ehemaliges Mitglied eines Todeskommandos dürfte ihr neuer Präsident werden. Die lange ersehnte Öffnung des Landes wird in weite Ferne rücken.
Publiziert: 18.06.2021 um 13:45 Uhr
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Aktualisiert: 18.06.2021 um 16:48 Uhr
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Eine Unterstützerin von Ebrahim Raisi macht Werbung für ihren Favoriten.
Foto: keystone-sda.ch
Guido Felder

Die Iranerinnen und Iraner wählen am Freitag einen neuen Präsidenten. Die Zeichen stehen auf Sturm: Denn auf den gemässigten Hassan Rohani (72) dürfte der ultrakonservative Justizchef Ebrahim Raisi (60) folgen, der sich als Nachfolger des Propheten Mohammed (ca. 570–632) bezeichnet.

Raisi ist ein Zögling des Obersten Führers Ayatollah Ali Chamenei (82), der ihn 2019 zum Obersten Richter ernannt hat. 1988 war Raisi Mitglied des vierköpfigen Todeskomitees, das während fünf Monaten ohne Prozess und Urteil Tausende von Menschen hinrichtete. Die Mehrheit der Opfer dieser «politischen Säuberung» war Teil der grössten Oppositionspartei, der Volksmudschaheddin. Auch Linke sowie Anders- und Nichtgläubige wurden durch qualvolles Hochziehen am Galgen getötet.

Männer und Frauen getrennt

Raisis Positionen sind klar antiwestlich. Er befürwortet Geschlechtertrennung, die Islamisierung der Universitäten, die Revision des Internets sowie die Zensurierung der westlichen Kultur. Er sagte, dass er die Absicht habe, «Verbindungen mit jedem Land ausser Israel» herzustellen. Und zum Atomabkommen sagt er: «Wir werden das Abkommen respektieren, die Bedingungen dafür stellen aber wir, nicht die USA.»

Menschenrechtsorganisationen werfen ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Er steht sowohl in den USA als auch in der EU auf der Sanktionsliste.

Schon vor vier Jahren war Raisi, damals erfolglos, als Präsidentschaftskandidat gegen Rohani angetreten. Er ist mit der Professorin Jamileh Alamolhoda verheiratet, mit der er zwei Töchter hat.

Wächterrat siebt Kandidaten aus

Die Wahlen im Iran sind abgekartetes Spiel: 59 Millionen Wahlberechtigte dürfen zwar entscheiden. Allerdings ist die Auswahl der Kandidaten beschränkt und gesteuert. Von 552 Bewerbern und 40 Bewerberinnen hatte der strenge Wächterrat nur sieben, ihm genehme Kandidaten zugelassen, von denen nun noch vier im Rennen sind.

Alle andern konnten Kriterien wie «ideologische Qualifikation» und «Loyalität» nicht erfüllen oder hatten es gewagt, Chameneis weise Führung des Regimes infrage zu stellen. So wurden überraschenderweise der ehemalige Parlamentspräsident Ali Larijani (64) und der Vizepräsident Eshagh Dschahangiri (63) nicht zur Wahl zugelassen. Beide gelten als moderat und hätten den Kurs Rohanis weiterführen wollen. Rohani selber legte wegen dieser Ablehnung Protest beim Obersten Führer Chamenei ein.

Weiter in die Sackgasse

Erste Ergebnisse werden am Samstag oder Sonntag erwartet. Der neue Präsident wird im August vereidigt. Rohani darf nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten.

Die Iraner, bis zur Islamischen Revolution von 1979 ein freies Volk, hoffen vor allem auf ein Ende der Wirtschaftskrise. Aber sie wissen ganz genau: Wenn der vom Wächterrat und dem Obersten Führer favorisierte Raisi Präsident wird, wird er ihr einst blühendes Land noch weiter in die dunkle Isolation treiben.

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