Wo ist die Bedienung? Diese Frage stellen sich momentan viele in London. Und zwar in Pubs, Hotels sowie Restaurants. Grund dafür ist nicht etwa die Pandemie, wie sich zunächst vermuten lässt. Sondern der Brexit, also der Ausstieg Grossbritanniens aus der EU. Ein grosser Teil der Arbeitskräfte, die bis anhin aus Italien, Spanien und Griechenland kamen, bleiben fern – denn die Grenzen für Migranten sind zu.
Wie die «New York Times» schreibt, müssen im ganzen Vereinigten Königreich zahlreiche Lokale ihre Betriebszeiten kürzen. Manche müssen sogar einige Tage die Woche schliessen, andere sind gezwungen, ganz dichtzumachen. Geschätzt 11 Prozent der Jobs in der Gastroszene sind vakant. Das zeigt eine aktuelle Umfrage. Zum Vergleich: Gesamtwirtschaftlich betrachtet liegt der Schnitt bei vier Prozent.
Das heiss ersehnte Geld bleibt aus
Besonders prekär: Die Weihnachtszeit ist die umtriebigste in der Branche und spült normalerweise viel Geld in die Kasse. Weil das aber heuer nicht der Fall ist, droht über einem Drittel der Gastrobetriebe schon Anfang des nächsten Jahres die Insolvenz, wie eine weitere Umfrage zeigt.
Wirtschaftskrise in Grossbritannien
Damit nicht genug. Wegen des Brexits herrscht auch Ärztemangel. Wie der «Guardian» berichtet, arbeiten laut der Denkfabrik Nuffield Trust derzeit mehr als 4000 europäische Ärzte weniger im britischen Gesundheitswesen, als vor dem Brexit prognostiziert wurde. Diese Rechnung umfasst auch Ärzte aus der Schweiz.
Hohe Importkosten sorgen für Probleme
Auch der Handelsvertrag mit Brüssel bringt offenbar nichts. Das geht aus einer Umfrage des britischen Handelskammerverbandes (BCC) hervor. Die Firmen könnten sich weder vergrössern noch könnten sie ihre Umsätze steigern. Eine überwältigende Mehrheit der befragten Unternehmen gab auch an, mit höheren Importkosten konfrontiert zu sein.
Gleichzeitig halten wegen der steigenden Lebenshaltungskosten die Streiks in Grossbritannien an. Sowohl Bahnarbeiter als auch Postangestellte und Pflegepersonal gehen auf die Strasse und legen ihre Arbeit nieder. Sie alle fordern höhere Löhne – der neue britische Premier Rishi Sunak (42) steht massiv unter Druck.
Jetzt orientiert sich Sunak an der Schweiz
Es ist mehr als deutlich, dass sich Grossbritannien in einer tiefen Wirtschaftskrise befindet. Scheinbar strebt Sunak nun engere Beziehungen zur EU an. Und orientiert sich dabei an der Schweiz: Er soll sich einen privilegierten Zugang zum Binnenmarkt der EU wünschen, dafür will er eine weitgehende Niederlassungsfreiheit für deren Bürger garantieren.
Allerdings wäre dieses Ziel sehr schwierig zu erreichen. Laut «Spiegel» dürfte Brüssel nicht erpicht darauf sein, wieder zahlreiche Sonderverträge aufzusetzen. Ausserdem musste Grossbritannien die vier Freiheiten der EU anerkennen, zu denen nebst dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital eben auch der für Personen gehört. Gerade letzteres war ein wichtiges Motiv für den Brexit.