Fahrt durch die gefährlichste Stadt der Welt
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Somalias Hauptstadt Mogadischu:Fahrt durch die gefährlichste Stadt der Welt

«In fünf Minuten wirst du entführt»
So ist es als Tourist in der gefährlichsten Stadt der Welt

Mogadischu gilt als gefährlichster Flecken auf Erden. Blick-Reporter Samuel Schumacher war für eine Reportage in der somalischen Hauptstadt, begleitet von 16 schwer bewaffneten Bodyguards. Doch selbst die schützen nicht vor allen Gefahren.
Publiziert: 02.10.2023 um 01:31 Uhr
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Aktualisiert: 02.10.2023 um 12:45 Uhr
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Yuni ist Verkäufer auf dem Fischmarkt von Mogadischu.
Foto: Samuel Schumacher
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

«Wenn du Schüsse hörst, dann schau auf dein Handy», sagt mein somalischer Begleiter an meinem ersten Abend in Somalias Hauptstadt. Entweder sei das die Armee beim Training, eine Hinrichtung auf dem Exekutionshügel gleich nebenan – oder ein Angriff der Al-Shabab-Terroristen. «Falls es ernst ist, schreibe ich dir!»

So läuft das also hier in Mogadischu, der gefährlichsten Stadt der Erde. Die Mordrate gehört zu den höchsten weltweit. Entführungen sind an der Tagesordnung. Und hingerichtet werden hier nicht nur Terroristen, sondern auch Homosexuelle und Konvertiten, die dem Islam – der einzigen erlaubten Religion – den Rücken kehren.

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Also Handy auf laut – und die Ohren spitzen. Apropos: Meinen Ohrring musste ich genauso zu Hause lassen wie die kurzen Hosen. Für Männer sind beides absolute No-Gos in der heissen Stadt am Äquator. Frauen laufen sowieso nur verhüllt entlang der Strassen, an deren Rändern Händler Kleider und staubiges Gemüse feilbieten. Die Grenze zwischen ihren Auslagen und den sich auftürmenden Abfallbergen nebenan ist nicht immer klar zu erkennen.

Touristen? Gibt es nicht. Vertreter von internationalen Organisationen? Verlassen ihre Bunker-Büros in der streng bewachten Zone direkt beim Flughafen nur im Notfall.

Mordende Jugendbanden und die Warnung im Reiseführer

Denn draussen in den Quartieren der Wellblech-Hütten-Metropole wird es für ausländische Besucher schnell gefährlich. «Fünf Minuten gebe ich dir, dann wirst du attackiert oder entführt», sagt mein Begleiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Eine schwedische Kollegin sei letzthin fast getötet worden, als sie einen Kaffee kaufen wollte.

Geschätzte zwei Millionen Schusswaffen gibt es in der 2,6-Millionen-Stadt. Mücken verbreiten Malaria und Dengue-Fieber. Die Jugend-Gang «Ciyaal Weero» zieht mit ihren Macheten raubend und mordend durch die Gassen, um brutalen Content für ihre Tiktok-Kanäle zu produzieren. Die Polizei im offiziell korruptesten Land der Erde ist keine Hilfe.

Also jeder für sich.

Ich sitze auf der Dachterrasse unserer Hochsicherheitsunterkunft und schaue hinunter in den Hof. Schwer bewaffnete Wächter sitzen hinter dem hohen Stahltor. Eine Mauer mit Stacheldrahtaufsatz umzieht das Gelände. Schüsse hallen hie und da durch die Luft. Keine Nachricht auf Whatsapp. Also nur Training – oder eine Hinrichtung.

Ich blättere im Afrika-Reiseführer: Mogadischu sei eine «absolute No-Go-Zone für westliche Reisende», die «gefährlichste Stadt der Welt», steht da. In der ganzen City gibt es weder Geldautomaten noch Daten-Roaming, weder Lichtsignale noch Alkohol. Die historische Altstadt: komplett zerbombt im 25-jährigen Bürgerkrieg.

Verkleidete Terroristen und der gefährlichste Fischmarkt der Welt

Am nächsten Morgen steht ein Besuch beim Vizebürgermeister an. Raus aus der Hochsicherheitsunterkunft, rein ins gepanzerte Fahrzeug, natürlich mit schusssicherer Weste. 16 Bodyguards mit Sturmgewehren und finsteren Blicken hocken auf den Pick-up-Trucks, die vor und hinter mir durch Mogadischus Strassen rasen. Die Dreckpisten im Stadtzentrum wären ein Traum für jeden Offroad-Fan. Schlanke Gestalten in farbigen Tüchern schreiten draussen über die staubigen Strassen durch das endlose Wellblechhüttenmeer.

Vizebürgermeister Mohammed Ahmed (49) erwartet uns in seinem grell erleuchteten Büro. Im Januar haben Al-Shabab-Milizen den Bürgermeisterpalast gestürmt, verkleidet als somalische Soldaten. Bestechliche Wächter hatten sie durchgelassen. «Die Kugeln flogen um uns herum, mehrere Menschen starben.» Heute aber habe man die Sicherheitsprobleme der Stadt im Griff, sagt Mohammed Ahmed. «Die Terroristen sind weg. Touristen sind willkommen.»

Wie zum Beweis lädt er zu einer Hafenrundfahrt ein. Mit meiner Kamera im Anschlag und mehreren Bodyguards im Schlepptau stürme ich kurz darauf durch eine heruntergekommene Fischmarkthalle am algenüberladenen Strand von Mogadischu. Fischer Yuni zeigt stolz den abgeschnittenen Kopf eines Thunfisches. Ein Foto. Dann werde ich schon wieder zurückbugsiert in den Panzerwagen.

Warum Blick nach Mogadischu reiste

Nächster Stopp: der Vorhof des «Peace Hotels», umstellt von Sandsackmauern und Stahlwänden, zum Schutz vor Selbstmordattentätern – bei einem Attentat ganz in der Nähe kamen vergangenes Jahr mehr als 120 Menschen ums Leben. Hier steht Ciccia, die alte Somalierin, der wandelnde Touristenshop von Mogadischu (der Duty-free-Shop am Flughafen ist genauso kaputt wie die einzige Toilette in der Abflugwartehalle).

Ciccia verkauft Postkarten, Silberketten, somalische Fussballshirts. Nur keine Briefmarken. «Wir haben ja gar keine Post», lacht Ciccia. Wie alt sie sei, frage ich sie. «Ach, 60, 70, 80, ich weiss es nicht.» Jedenfalls alt genug, dass sie sich noch erinnern könne, dass es hier mal schön und friedlich war. Und das ist lange her.

Falls du dich jetzt fragst, wieso Blick überhaupt auf die Idee kommt, in die gefährlichste Stadt der Welt zu reisen: Wir wollten über eine der schlimmsten humanitären Krisen unserer Zeit berichten, die sich rund um die somalische Hauptstadt abspielt. Hier ist die Geschichte.

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