Am 18. Dezember hat die Schweiz den russischen Geschäftsmann Wladislaw Kljuschin (41) an die USA ausgeliefert. Der Entscheid der Schweizer Behörden – am Schluss war der Fall beim Bundesgericht gelandet – sorgte in Washington für Jubel, in Moskau hingegen für Missstimmung.
Nun scheint klar, warum die USA so sehr auf eine Auslieferung des im März 2021 in Sitten VS verhafteten Russen pochten. Kljuschin soll nicht nur Insiderhandel in Millionenhöhe betrieben, sondern auch detaillierte Kenntnisse über die Hackerangriffe auf die US-Wahlen haben. Das berichtet Bloomberg.com.
Das amerikanische Nachrichtenportal beruft sich auf Personen, die dem Kreml und den russischen Sicherheitsdiensten nahestehen. Gemäss ihnen soll Kljuschin Zugang zu Dokumenten haben, die sich auf einen von den USA vermuteten Hackerangriff auf Server der Demokratischen Partei während den USA-Wahlen von 2016 beziehen. Damals wurde der Republikaner Donald Trump (75) gewählt. Er schlug die Demokratin Hillary Clinton (74).
Diese Dokumente sollen belegen, dass ein Team des russischen Militärnachrichtendienstes (GRU) die Hackerangriffe auslöste. Solche Unterlagen würden den USA das erste Mal Beweise für die angeblichen russischen Bemühungen zur Beeinflussung der US-Wahlen liefern.
Ehrenmedaille von Putin erhalten
Kljuschin leitete ein Informationstechnologie-Unternehmen, das auf höchster Ebene mit den russischen Behörden zusammenarbeitete. Die Firma M-13 bot die Überwachung sozialer Medien und Cybersicherheit an. Sie testete auch den Internetauftritt von Kunden mit gezielten Angriffen auf Schwachstellen.
Das Unternehmen lieferte der russischen Regierung gemäss Bloomberg ein Medienüberwachungssystem sowie weitere Dienstleistungen. Und das offenbar zur grössten Zufriedenheit des Kremls: Eineinhalb Jahre vor der Verhaftung hatte Kljuschin von Staatspräsident Wladimir Putin (69) eine Ehrenmedaille erhalten.
Die US-Staatsanwälte schreiben, dass Kljuschin einen «immensen Reichtum» angehäuft habe. Dazu gehörten eine in Grossbritannien gekaufte Yacht im Wert von vier Millionen Franken, eine Wohnung in London sowie Millionen von Dollar in bar.
Was weiss er über den Giftanschlag?
Der verhaftete Russe könnte nicht nur eine Schlüsselrolle bei den angeblichen Hackerangriffen auf die US-Demokraten spielen, er verfügt möglicherweise noch über viel mehr Wissen über die geheimen Operationen des GRU.
Agenten des russischen Geheimdienstes wurden in den vergangenen Jahren mit einer Reihe von Hackerangriffen sowie dem versuchten Giftmord am regimekritischen Ex-GRU-Oberst Sergei Skripal (70) und dessen Tochter in Verbindung gebracht. Die beiden wurden 2018 schwer verletzt in der englischen Stadt Salisbury gefunden. Russland bestreitet, mit dem Anschlag etwas zu tun zu haben.
Offenbar war der Russe bei einer Reise nach London von zwei britischen Geheimdienst-Mitarbeitern kontaktiert und gefragt worden, ob er zur Kooperation bereit sei. Kljuschin habe abgelehnt, sich aber bereit erklärt, sie wiederzutreffen.
Kliushin beteuert Unschuld
Gegenüber Bloomberg sagte Kljuschins Anwalt in der Schweiz, Oliver Ciric, dass er nicht wisse, über welche Dokumente sein Klient verfüge. Ciric sagte auch, dass Kljuschin beteuere, unschuldig am Insiderhandel sowie der «hypothetischen Einmischung in die Wahlen» zu sein.
Ciric ist davon überzeugt, dass die USA das Telefon von Kljuschin abgehört und so von seiner Reise in die Schweiz erfahren hätten. Kljuschin war mit seiner Familie ins Wallis gereist, um da seine Skiferien zu verbringen. Am 21. März 2021 wurde er verhaftet.
Am 19. April 2021 ersuchte die US-Botschaft in Bern gestützt auf den bilateralen Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und den USA formell um die Auslieferung von Kljuschin. Das Bundesamt für Justiz verfügte Ende Juni die Auslieferung an die USA.
Moskau über die Schweiz «sehr enttäuscht»
Gegen den Auslieferungsentscheid des Amtes erhob Kljuschin beim Bundesstrafgericht und im Anschluss auch beim Bundesgericht Beschwerde. Dieses ist mit Entscheid vom 10. Dezember darauf nicht eingetreten. Am 18. Dezember 2021 wurde er ausgeliefert.
Die USA bedankten sich bei den Schweizer Behörden für die «wertvolle Hilfe». Moskau jedoch zeigt sich von der Schweiz «sehr enttäuscht». Die Schweizer Behörden hätten den politischen Aspekt des Falls Kljuschin ignoriert und das Auslieferungsersuchen der russischen Generalstaatsanwaltschaft «grundlos abgelehnt». Die russische Botschaft in Bern sprach von einer «Jagd auf russische Bürger». (gf)