«Ich dachte, ich wäre der Nächste»
Russen erschiessen und begraben drei Brüder – einer überlebt

Drei ukrainische Brüder wurden von den Russen erschossen und in eine Grube geworfen. Doch einer überlebte. Nun will er seine Geschichte verbreiten und ist überzeugt: dieser Vorfall war nur einer von vielen.
Publiziert: 17.05.2022 um 19:17 Uhr
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Aktualisiert: 18.05.2022 um 11:47 Uhr
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Mykola K. wurde zusammen mit seinen beiden Brüdern von russischen Soldaten gefoltert und anschliessend erschossen. Im Gegensatz zu seinen Brüdern überlebte Mykola.
Foto: Screenshot/Youtube@SuspilʹneChernihiv

Russland zeigt sich im Ukraine-Krieg von seiner schlimmsten Seite. Unzählige Gräueltaten haben russische Soldaten bereits verübt. Ganze Wohnquartiere wurden dem Erdboden gleichgemacht, Zivilisten auf brutale Art und Weise getötet.

Auch der Ukrainer Mykola K.* (33) musste seine Erfahrungen mit den Soldaten machen. Er lebte mit seinen beiden Brüdern Yevhen* und Dmytro* (†36) sowie seiner Schwester Iryna* im Dorf Dovzhyk nahe der Stadt Tschernihiw. Das Dorf war zwar von den Russen besetzt, trotzdem hatte sich das Leben der Geschwister aber seit der Invasion wenig verändert. Bis zum 18. März.

Russen waren von der Schuld der Brüder überzeugt

Als in Dovzhyk eine russische Kolonne bombardiert wurde, schwärmten die Soldaten aus, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Prompt stiessen sie auf das Haus der Geschwister. Drei russische Soldaten verschafften sich Zugang zum Haus und forderten die drei Brüder auf hinzuknien, während das Haus nach allem durchsuchten, was sie mit dem bombardierten Konvoi in Verbindung bringen könnte. Die Schwester war zu diesem Zeitpunkt ausser Haus.

Wie Mykola CNN erzählt, waren die Russen von der Schuld der Brüder überzeugt, als sie die Militärmedaillen ihres Grossvaters und eine Militärtasche von Yevhen fanden. Daraufhin bekamen sie die Skrupellosigkeit der russischen Soldaten zu spüren.

Während vier Tagen wurden die drei Brüder in einem Keller verhört und gefoltert. «Sie schlugen mich am ganzen Körper mit einer Metallstange und steckten mir den Lauf einer Pistole in den Mund», erzählt Mykola.

Einer nach dem anderen wurde erschossen und in die Grube geworfen

Am vierten Tag der Gefangenschaft wurden die Brüder so übel gefoltert, dass sie das Bewusstsein verloren. Anschliessend verbanden ihnen die Soldaten die Augen und fesselten sie an Händen und Beinen. In einem Militärfahrzeug wurden die drei zu einem verlassenen Grundstück gefahren.

Während die Russen eine Grube aushoben, wurden die Brüder gezwungen, mit verbundenen Augen hinzuknien. Plötzlich fiel ein Schuss. Der älteste, Dmytro, fiel tot zu Boden. Anschliessend passierte dasselbe mit Yevhen, dem jüngsten.

«Ich dachte, ich wäre der Nächste», so Mykola. Doch er hatte wohl mehr als einen Schutzengel auf seiner Seite. Denn die Kugel drang lediglich in seine Wange ein und trat neben seinem rechten Ohr wieder aus. Er lebte! Doch um nicht aufzufallen, stellte er sich tot.

Für die Russen war die Sache nun erledigt. Die Brüder wurden in die Grube geworfen und mit Erde bedeckt. «Es war schwer für mich zu atmen, da Dmytro auf mir lag», erinnert sich Mykola. Wie lange er so begraben war, kann er nicht sagen. Zu schwammig sind die Erinnerungen.

Das einzige, was er noch weiss ist, dass er es irgendwie geschafft hat, sich aus der Grube zu befreien. Mit letzter Kraft konnte sich Mykolazu einem naheliegenen Haus schleppen, wo ihn eine Frau aufnahm und über Nacht versorgte.

«Ich hatte Glück und muss jetzt einfach weiterleben»

Tags darauf fand dann das herzzerreissende Wiedersehen mit seiner Schwester Iryna statt. «Ich kam nach Hause und da war Mykola», erinnert sie sich. Auf die Frage, wo denn die anderen Brüder seien, antwortete Mykola lediglich: «Es gibt keine anderen.»

Für Mykola ist klar: Es ist ein Wunder, dass er überlebt hat. Seine Narben auf seiner Wange und hinter seinem Ohr sind zwar noch ersichtlich, doch das sei nichts im Vergleich dazu, dass er heute noch am Leben sei. «Ich hatte Glück und muss jetzt einfach weiterleben.»

Nun will er seine Geschichte verbreiten. Denn er ist überzeugt: «Solche Dinge passieren, und mein Fall ist nur einer unter vielen». Auch die Staatsanwaltschaft der Region Tschernihiw will den brutalen Vorfall nicht einfach ad acta legen. Sie hat bereits eine Untersuchung wegen Kriegsverbrechen eingeleitet.

Da die Russen sich nun aus Tschernihiw zurückgezogen haben, hat Mykola seine beiden Brüder in einem Grab beigesetzt. (ced)

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