Die blutige Spur erinnert an den legendären «Jack the Ripper». Sie zieht sich durch das römische Viertel Prati wie einst jene anno 1888 durch den finsteren Londoner Stadtteil Whitechapel. Drei grausame Morde innerhalb von wenig mehr als eine Stunde schocken am 17. November 2022 die Ewige Stadt.
In der Via Durazzo liegt die Leiche der Kolumbianerin Theresa M.* (†65) in einer Blutlache. Rund 850 Meter entfernt, in der Via Augusto Riboty, findet die Polizei zwei weitere Körper. Die Chinesin Yung X*.(†45) wurde im Bett erstochen, ihre Kollegin Linh W.* (†55) auf der Türschwelle. Sie wollte fliehen und Hilfe holen. Vergebens. Täter und der Tatwaffe sind verschwunden. Vorerst.
Auf dem Handy ist der Todeskampf zu hören
Im Gegensatz zum berühmten Dirnen-Mörder «Jack the Ripper», der nie gefasst wurde, gelingt den Carabinieri bereits am Samstag, den 19. November, die Verhaftung des mutmasslichen Serienkillers. Er ist ein alter Bekannter der römischen Justiz, Chauffeur eines Mafiabosses der Camorra. 2006 wurde er schon einmal wegen der Vergewaltigung einer Brasilianerin angezeigt. Schnell sind die Taten im römischen Viertel rekonstruiert. Grund: Daniele F.* (51) hatte die Tötung der chinesischen Opfer mit dem Smartphone aufgenommen. Es sind zwei Videos, eines von 14 ein anderes von 42 Minuten Länge.
An jene Donnerstagmorgen verabredet sich der Italiener mit Yung und Linh. Er stellt das Handy auf den Tisch, hat Sex mit einer der Prostituierten. Bei zweiten Film schickt er die andere Frau Bier holen. Während er auf die erste einsticht, kehrt die zweite zurück. Sie schreit auf: «Was machst Du mit ihr?» Dann greift der Täter auch Linh an. Ihr Todeskampf ist auf dem Handy zu hören.
Daniele F. vergisst das Smartphone am Tatort
Daniele F. verlässt die Wohnung im zweiten Stock. Das Smartphone lässt er liegen. Er macht sich direkt auf dem Weg zu Theresa M.*, massakriert auch die Lateinamerikanerin mit mehreren Messerstichen. Noch am gleichen Tag wird die Tote von ihrer Schwester gefunden. Sie alarmiert die Polizei.
Daniele F. sucht eine weitere Prostituierte, eine Kubanerin, auf. Sie soll ihm für 600 Euro einen falschen Pass besorgen. «Ich bin böse, habe getötet», sagt der Mann zu ihr. Auch seiner Schwester gesteht er am Telefon: «Ich habe Frauen erstochen». Später erzählt die Schwester den Ermittlern: «Wenn mein Bruder Kokain nimmt, dann ist er wie von Sinnen».
Verdacht auf einen vierten Mord
Auf 21 Seiten sind alle bislang ermittelten Details aufgelistet. Während die Verteidigung ein psychiatrisches Gutachten fordert, hält der Untersuchungsrichter den Täter für zurechnungsfähig. Die Taten seien vorbereitet gewesen und die Videos zeigten, dass der Täter klar bei Verstand war. Anhand des Modus Operandi kommt ein weiterer Verdacht auf: Die drei toten Frauen sind nicht die einzigen Opfer des Mörders. Der Tod einer nigerianischen Prostituierten im Jahr 2012 könnte auch auf das Konto von Daniele F. gehen.
«Jack the Ripper» wurden sechs Frauenmorde nachgewiesen. 15 Taten könnte der mysteriöse Killer begangen haben. Bei Daniele F. stehen die italienische Polizei und Staatsanwaltschaft erst am Anfang der Ermittlungen.
*Name geändert