Zwei Monate nach seinem Sieg muss Joe Biden (78) noch einmal zittern. Am Dienstag ging die US-Wahl in ihre letzte Runde: In Georgia wurden die letzten beiden Senatoren gewählt. Nach dem Weissen Haus und dem Repräsentantenhaus ist der Senat für die Demokraten das letzte Puzzleteil auf dem Weg zur Macht. Derzeit werden die Stimmen ausgezählt, die beiden Rennen sind äusserst knapp. BLICK beantwortet die acht wichtigsten Fragen zum Georgia-Showdown:
Warum gibts überhaupt noch mal eine Wahl?
Weil keiner der Kandidaten im November die nötige Stimmenmehrheit über 50 Prozent auf sich vereinen konnte. Um beide offenen Sitze gibt es darum eine Stichwahl.
Wer tritt in Georgia an?
Der schwarze Baptistenpriester Raphael Warnock (51) gegen Kelly Loeffler (50), eine treue Trump-Anhängerin. Loeffler rückte im Dezember 2019 in den Senat auf. Sie gilt als eine der reichsten Senatorinnen und ist Mitbesitzerin eines Frauen-NBA-Teams. Warnock predigt in der ehemaligen Wirkungsstätte von Martin Luther King.
Der Investigativjournalist Jon Ossoff (33) will den ehemaligen Reebok-CEO David Perdue (71) schlagen. Perdue steht aktuell wegen möglichen Amtsmissbrauchs in Zusammenhang mit Millionen-Aktiengeschäften in der Kritik. Ossoff gilt als moderat, er lehnt etwa den «Green New Deal» des linken Demokraten-Flügels ab.
Welche Chance haben die Demokraten?
Gute! Beide Kandidaten lagen in den letzten Umfragen mit zwei Prozentpunkten (Warnock) beziehungsweise 1,4 Prozentpunkten (Ossoff) etwas vor ihren republikanischen Gegnern. Joe Biden hat in der ehemaligen republikanischen Hochburg bei der Präsidentschaftswahl einen hauchdünnen Sieg eingefahren, die ehemalige Gouverneurskandidatin Stacey Abrams (47) hat unermüdlich die Schwarzen mobilisiert, und die Zahl der Frühwähler liegt deutlich höher als vor der US-Wahl.
Wie wichtig ist die Senatswahl in Georgia?
Sehr wichtig! Gewinnen die Demokraten beide Sitze, würden die Demokraten den Senat und damit den gesamten Kongress kontrollieren. Im Senat hätten die beiden Parteien je 50 Sitze. Die entscheidende Stimme käme dann von Vizepräsidentin Kamala Harris.
Was passiert, wenn Joe Biden nicht die Kongress-Mehrheit bekommt?
Für grosse, umfassende Reformen braucht er den Senat. Die Republikaner könnten ihn etwa bei Haushaltsfragen blockieren. «Die gute Nachricht ist, dass Biden für seine Überparteilichkeit bekannt ist – er kann gut mit Menschen aus verschiedenen politischen Lagern arbeiten», sagt US-Verfassungsexpertin Alexandra Dufresne zu BLICK. Es gäbe viele Möglichkeiten für ihn, seine Führungsstärke auszuspielen – etwa beim Corona-Management.
Was könnte er auch ohne die Mehrheit im Kongress machen?
«Er kann als Präsident vorangehen, Reden halten und per Dekret regieren», erklärt Dufresne. Bei Klimafragen etwa – ein Fokus der Biden-Regierung. Insgesamt 277 Durchführungsverordnungen («executive orders»), die sofort umsetzbar wären, hat das Biden-Lager bereits im Juni veröffentlicht. Die meisten davon liegen im Bereich Einwanderung. Biden kann zum Beispiel die Einreisebeschränkungen für Muslime aufheben und die Finanzierung für den Mauerbau stoppen.
Was ist mit Obamacare?
Das Herzensprojekt der Demokraten, das unter Trump mächtig gelitten hat, kann Biden grundsätzlich beschützen. «Um die Gesundheitsversicherung aber weiterzuentwickeln, braucht er den Senat», sagt Dufresne.
Was kann Joe Biden selbst mit der Mehrheit nicht machen?
Selbst wenn es die Demokraten schaffen, beide Sitze in Georgia zu gewinnen, ist ihre Mehrheit nur sehr klein. «Nur weil man die Mehrheit im Kongress hat, hat man noch lange keinen Freifahrtschein», sagt Dufresne. Im Klartext: Der US-Präsident muss auch seine Partei bei jeder Abstimmung für seine Sache gewinnen.