Heftige Kritik an Altkanzler Schröder
Das Russland-Problem der SPD

Meinungsunterschiede in der Kanzlerpartei SPD bremsen Berlins Umgang mit der Ukraine-Krise. Grösster Zankapfel ist die Rolle von Altkanzler und Putin-Freund Gerhard Schröder.
Publiziert: 02.02.2022 um 00:19 Uhr
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Bundeskanzler Olaf Scholz wird für seinen Umgang mit der Ukraine-Krise kritisiert.
Foto: imago images/Political-Moments
Fabienne Kinzelmann

Deutschland sucht in der Ukraine-Krise noch immer seine Rolle. Während die meisten anderen Nato-Mitglieder militärisch und geschlossen auftreten, fährt Berlin einen Sonderweg.

Aussenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne) überzeugte zwar mit einem souveränen Auftritt in Moskau – doch statt Waffen und Truppen wie die USA, die Briten oder die Franzosen schickt Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (56, SPD) zum Schutz der Ukrainer nur 5000 Helme. Und Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD)? Der ist praktisch abgetaucht.

Seine gefühlte Abwesenheit bleibt nicht unbemerkt. Das macht sogar international Schlagzeilen. Das «Wall Street Journal» bezeichnet Deutschland als unzuverlässig, die «New York Times» spricht von «Passivität», und Bloomberg News nennt Scholz das «schwächste Glied in der Ukraine-Krise».

Was läuft bei Deutschlands Russland-Politik schief?

Für viele Beobachter ist klar: Die Kanzlerpartei SPD ist das Hauptproblem. Denn die Unterschiede beim Thema Russland sind bei den Genossinnen und Genossen riesig – und kontrovers.

Von russlandkritischen Hardlinern wie Ex-Staatsminister Michael Roth (51) und dem aussenpolitischen Fraktionssprecher Nils Schmid (48) bis zur Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (47), die aus wirtschaftlichen Gründen an der Gaspipeline Nord Stream 2 festhalten will, ist in der Partei alles vertreten.

Doch niemand sorgt für so viel Stirnrunzeln wie Altkanzler und Lobbyist Gerhard Schröder (77). Bereits seit seiner Zeit als Bundeskanzler (1998–2005) ist er mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) befreundet – beide schwelgen etwa gern in Erinnerungen an gemeinsame Sauna-Besuche.

Die gute Beziehung hat sich für Schröder ausgezahlt. Heute fungiert er als Aufsichtsratschef für die Nord Stream 2 AG, die mehrheitlich dem russischen Konzern Gazprom gehört, sowie für den russischen Staatskonzern Rosneft. Allein für letzteres Mandat erhält er laut der russischen Tageszeitung «Kommersant» eine Entschädigung in Höhe von umgerechnet mehr als 600'000 Franken.

Schröder warf Ukraine «Säbelrasseln» vor

In der Ukraine-Krise mischt sich der Altkanzler und Gaslobbyist von der Seitenlinie in die Politik ein. Schon die Forderungen nach Waffenlieferungen kritisierte er. Am Wochenende warf Schröder der Ukraine, an deren Grenzen russische Panzer stehen, in seinem Podcast gar «Säbelrasseln» vor – ein klarer Bruch mit der Partei-Linie, die Russland offiziell als Aggressor sieht.

Auch Aussenministerin Baerbock kritisiert der Altkanzler in seinem Podcast namens «Die Agenda»: Baerbock provoziere Moskau. «Ich glaube nicht, dass die russische Seite ein Interesse daran hat, in der Ukraine zu intervenieren», verteidigt er Russland.

Schuld haben immer die anderen

Dafür wird der Altkanzler kritisiert. «Schröder erweist schon seit Jahren seiner Partei einen Bärendienst, indem er immer wieder das hohe Lied eines friedfertigen russischen Präsidenten singt», kommentiert unter anderem der «Deutschlandfunk» die Einmischung von der Seitenlinie.

«Schuld am aggressiven aussenpolitischen Kurs Moskaus haben immer die anderen, entweder die Nato oder wie im aktuellen Fall die Ukraine.» Ein Narrativ, dass leider noch immer bei vielen in der SPD verfange, «zumal wenn es geschickt mit der Entspannungspolitik in Zeiten des Kalten Krieges des allseits verehrten Willy Brands vermengt wird».

CDU fordert Büro-Schliessung, SPD geht auf Distanz

Die Kritik an Schröder wird immer lauter. CDU-Politiker fordern unter anderem die Schliessung von Schröders Büro im Bundestag, das ihm als Altkanzler zusteht, und CDU-Vorstandsmitglied Norbert Röttgen bezeichnete ihn im Deutschlandfunk als «bezahlten Angestellten Putins».

Auch die Genossinnen und Genossen begehren zunehmend gegen ihre ehemalige Galionsfigur auf. «Äussern können sich viele, aber entscheiden tun wir als aktuelle SPD-Führung gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz», sagte Co-Parteichef Lars Klingbeil (43) in der ARD über die umstrittenen Querschüsse des Altkanzlers.

Schröder mit Corona infiziert

«Jeder muss für sich entscheiden, ob er oder sie sich in dieser Partei wohlfühlt, die sich immer als Teil einer internationalen Bewegung verstanden hat, die für das Menschenrecht, für Demokratie und für Freiheit eintritt, aber selbstverständlich auch für Frieden und für Verständigung», sagte SPD-Präsidiumsmitglied Michael Roth mit Blick auf Schröder gegenüber dem «Spiegel»

Der Altkanzler und Lobbyist selbst kann sich aktuell offenbar schlecht äussern. Wie am Montag bekannt wurde haben sich er und seine Ehefrau Soyeon Schröder-Kim (54) mit dem Coronavirus infiziert – mit Symptomen.

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