Der chinesische Biophysiker He Jiankui (38) schuf die ersten genmanipulierten Kinder. 2018 schockierte er die Welt mit der erstaunlichen Ankündigung, er habe das Erbgut von In-vitro-Embryonen mithilfe der Crispr-Methode verändert und sie in die Gebärmutter einer Frau eingepflanzt, was zur Geburt von Zwillingsmädchen geführt habe. Ein drittes Kind wurde im folgenden Jahr geboren. Diese Kinder sollen nun resistent gegen HIV sein.
Nach der internationalen Verurteilung des Experiments mit der sogenannten Genschere wurde er unter Hausarrest gestellt und anschliessend in China inhaftiert.
Im Dezember 2019 wurde er von einem chinesischen Gericht verurteilt, das feststellte, dass der Forscher «vorsätzlich» gegen die medizinischen Vorschriften verstossen und «die Gen-Editierungstechnologie vorschnell auf die assistierte Reproduktionsmedizin angewandt» habe.
Gen-Manipulation kann schwere Fehler hervorrufen
Nach drei Jahren Haft ist He Jiankui wieder auf freiem Fuss, wie ein Bericht von «Technology Review» bestätigt. Er selbst wollte sich nicht zu seiner Freilassung äussern, heisst es weiter. Allerdings soll er laut dem Fachmagazin bereits in Kontakt mit seinem «wissenschaftlichen Netzwerk» stehen.
Bisher ist nicht bekannt, ob He Jiankui Pläne hat, in die wissenschaftliche Forschung in China oder einem anderen Land zurückzukehren. Bekannte haben den Biophysiker, der an der Rice University und in Stanford ausgebildet wurde, als idealistisch, naiv und ehrgeizig beschrieben. So sei er fest davon überzeugt gewesen, einen neuen Weg zur «Kontrolle der HIV-Epidemie» gefunden zu haben, der für einen Nobelpreis infrage käme.
Dann platzte der Traum vom Nobelpreis: «Technology Review» deckte die Existenz des Crispr-Babyprojekts am Vorabend eines internationalen Genom-Editing-Gipfels in Hongkong im November 2018 auf. He bestätigte, dass er das Erbgut der Zwillinge durch die Genschere-Methode genetisch verändert habe.
Das Projekt wurde weltweit heftig kritisiert. Wissenschaftler erklärten, dass diese Art von Gen-Manipulation für Menschen wenig sinnvoll sei und gar schwerwiegende Fehler im Erbgut der beiden Zwillinge hervorrufen könnte.
China soll Crispr-Kinder überwachen
Während die Verantwortung für das Experiment zwar bei He und anderen chinesischen Teammitgliedern lag, wussten auch andere Wissenschaftler von dem Projekt und unterstützten es. Dazu gehören Michael Deem, ein ehemaliger Professor an der Rice University, der an dem Experiment beteiligt war, und John Zhang, Leiter einer grossen Fruchtbarkeitsklinik in New York, der bereits Pläne zur Vermarktung der Technologie gemacht hatte.
Nachdem der Fall publik wurde und He Jiankui bestraft wurde, scheinen weitere Experimente mit Gen-Editing im Zusammenhang mit Babys unwahrscheinlich.
Im Februar forderten zwei hochrangige chinesische Bioethiker laut einem Bericht in «Nature» die chinesische Regierung auf, ein Forschungsprogramm zur Überwachung der Gesundheit der Crispr-Kinder einzurichten. Sie stuften die Kinder als eine «gefährdete Gruppe» ein und forderten genetische Analysen, um festzustellen, ob ihre Körper genetische Fehler enthalten, die sie an künftige Generationen weitergeben könnten. (chs)