Wenn ein Baby auf die Welt kommt, ist das üblicherweise ein freudiges Ergebnis. Die Geburt von Lulu und Nana aber versetzte der Welt einen Schock und liess nicht nur Experten gruseln - die beiden Mädchen sind die ersten genmanipulierten Babys der Welt.
«Zwei wunderhübsche kleine chinesische Mädchen namens Lulu und Nana kamen vor einigen Wochen schreiend und so gesund wie andere Babys zur Welt.» Mit diesen Worten und einem scheuen Lächeln auf dem Gesicht schockierte der chinesische Wissenschaftler He Jiankui am 25. November 2018 Fachwelt und Öffentlichkeit.
Chinesicher Forscher schuf genmanipulierte Babys
Der Wissenschaftler hatte das Erbgut der mit künstlicher Befruchtung gezeugten Mädchen manipuliert, bevor er die Embryonen in die Gebärmutter der Mutter übertrug. Er hatte die ersten genmanipulierten Babys geschaffen. Ein absoluter Tabubruch.
Ein Jahr später ist vollkommen unklar, wie es den Mädchen geht. He hatte ihr Erbgut mit Hilfe der Genschere Crispr/Cas9 so manipuliert, dass sie vor einer Ansteckung mit HIV geschützt sind. Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete seit Januar nicht mehr über den Fall.
Ein Tabu fällt: De Forscher können nun die Gene von Embryos manipulieren. Sie wenden die revolutionäre CRISPR-Cas9-Methode an, die seit 2012 in Gebrauch ist. Wie bei einem Textverarbeitungsprogramm lassen sich damit Teile unseres Erbgutes löschen, überschreiben und korrigieren. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Ein Tabu fällt: De Forscher können nun die Gene von Embryos manipulieren. Sie wenden die revolutionäre CRISPR-Cas9-Methode an, die seit 2012 in Gebrauch ist. Wie bei einem Textverarbeitungsprogramm lassen sich damit Teile unseres Erbgutes löschen, überschreiben und korrigieren. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Damals hiess es lediglich, den Behörden sei die Identität der Kinder bekannt und sie blieben unter medizinischer Beobachtung. Gleiches galt für eine Frau, die mit einem dritten von He Jiankui veränderten Embryo schwanger war. Ob das Kind zur Welt kam, wurde nie mitgeteilt.
He Jiankui (35) erwartet Strafe
Und was macht He Jiankui? Der Biophysiker ist aus der Öffentlichkeit verschwunden. Ein abschliessender Bericht zu dem Fall steht noch immer aus. In einem vorläufigen Untersuchungsbericht der Regierung hiess es im Januar, He werde «entsprechend der Gesetze und Regularien bestraft». Was das bedeutet, blieb offen - von einer Festnahme zumindest war nicht die Rede.
Die Universität in der südchinesischen Stadt Shenzhen, an der der Biophysiker forschte, hatte He kurz nach seiner Bekanntgabe gefeuert. Der Nachrichtenagentur DPA teilte die Universität nun mit, nichts über seinen Aufenthaltsort zu wissen. «Er ist nicht mehr hier», sagte ein Sprecher.
Eine Gen-Firma in Shenzhen, die He im vergangenen Jahr noch als ihren Bevollmächtigten führte, änderte nach dem Wirbel um den Wissenschaftler ihren Namen. Auch dort sagte ein Mitarbeiter, ihm sei der Aufenthaltsort von He nicht bekannt: «Wissen sie vielleicht etwas, mich würde es auch sehr interessieren?»
Auch russischer Wissenschaftler will Babys genmanipulieren
So mysteriös der Fall bleibt - die Forschung in dem Bereich geht weiter. In Labors rund um die Welt wird an einer Verbesserung der Technologie gearbeitet, auch mit dem Ziel, ihre Anwendung beim Menschen möglich zu machen.
Trotz der Forderung zahlreicher Forscher und Experten nach einem Moratorium, einem freiwilligen Verzicht auf derartige Manipulationen, ist es gerade mal einen Monat her, dass der russische Wissenschaftler Denis Rebrikow ankündigte, per vorgeburtlicher genetischer Manipulation erblich bedingte Taubheit heilen zu wollen (BLICK berichtete).
Im Juni hatte der Forscher von der Russischen Nationalen Forschungsmedizinischen Universität Pirogow zunächst verkündet, ähnlich wie He Babys so manipulieren zu wollen, dass sie vor einer Ansteckung mit HIV geschützt sind.
«Thema muss aus Fachdebatte in gesellschaftliche Debatte»
Ethische Aspekte zu diskutieren und international verbindliche Richtlinien zu etablieren, scheint also dringend geboten. Dafür brauche es eine breit angelegte nationale und internationale Auseinandersetzung, sagte Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats. «Das Thema muss aus der Fachdebatte in die gesellschaftliche Debatte. Das hat eine menschheitsgeschichtliche Dimension.»
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen Expertenrat bestimmt, der Richtlinien für den Einsatz solcher Techniken erarbeiten und überwachen sowie den gesellschaftlichen Diskurs anregen soll. Ausserdem baut die Behörde für mehr Transparenz ein Register für entsprechende klinische Studien auf.
Dabrock hält eine internationale Konferenz auf Uno-Ebene ähnlich den Uno-Klimakonferenzen für eine denkbare Strategie, um einen breiten Diskurs anzuregen.
Auf Erlaubnis des Gesundheitsministeriums warten
Dass die bisherigen Debatten um die Legitimität solcher Versuche wohl nicht vergebens waren, zeigt sich nach Ansicht von Dabrock an der Reaktion auf die Ankündigungen des russischen Forschers. «Der hat mal einen Stein ins Wasser geworfen und geschaut, was passiert.»
Die russischen Aufsichtsbehörden hätten mit für viele Beobachter «erstaunlicher Klarheit» gesagt, dass sie die Versuche vorerst nicht erlauben wollen. «Wer weiss, ob das so gekommen wäre, wenn die Debatte nicht schon so Fahrt aufgenommen hätte.» Experten in Russland hatten mehrfach davor gewarnt, dass Vorstösse wie der von Rebrikow der Autorität des Landes in der Welt der Wissenschaft schaden könnten.
Anders als He will Rebrikow auf eine Erlaubnis des Gesundheitsministeriums warten, bevor er genmanipulierte Eizellen in eine Gebärmutter einsetzt, wie er dem Fachmagazin «Nature» sagte. Und er wolle erst sicher sein, dass das Verfahren ungefährlich ist. Rebrikow behauptet, ein Verfahren gefunden zu haben, dass sicherer ist als die Genschere Crispr/Cas9 - eines mit geringerer Gefahr, auch ausserhalb des Ziels liegende Bereiche im Erbgut zu beeinflussen. (SDA/rad)