Hauptstadt Bangkok am Anschlag
Wie Thailand vom Covid-Musterschüler zum -Krisenland wurde

Lange galt Thailand als Vorzeigenation im Kampf gegen Corona.. Doch die Regierung sonnte sich im Erfolg und verpasste es, rechtzeitig wichtige Entscheidungen zu treffen. Die Intensivstationen in Bangkok sind voll, es fehlt an Impfstoffen.
Publiziert: 04.07.2021 um 03:02 Uhr
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Aktualisiert: 04.07.2021 um 13:14 Uhr
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Auch der mytische Ramayana-Riesenwächter trägt sie am Flughafen von Bangkok: die Maske. Trotz frühen Erfolgen im Kampf gegen Covid wird Thailand derzeit von einer Viruswelle überwältigt.
Foto: Keystone
Daniel Kestenholz, Bangkok

Thailands rühmte sich lange, wundersam niedrige Covid-Ansteckungszahlen zu haben. Diese waren wohl vorab dem Umstand zu verdanken, dass einfach nicht getestet wurde. Während an Flughäfen strikte Einreisekontrollen herrschten, blieben die grünen Grenzen weitgehend offen. Vorab über Myanmar fand das Virus seinen Weg ins Königreich. Zudem scheren sich gewisse privilegierte Kreise in Thailand um Massnahmen: Zwei Minister besuchten einen illegalen Nachtclub in Bangkok. Daraus wurde ein Superspreader-Event. Die Welle nahm ihren Lauf.

Thailand machte diese Wochen Schlagzeilen damit, hinter Südafrika und Mexiko die weltweit höchsten Ansteckungszahlen aufzuweisen. Intensivstationen in der Hauptstadt sind am Anschlag. Es fehlt an Pflegebetten und Medizin. Mehr als 100 Ärzte aus ganz Thailand wurden in die Zehn-Millionen-Metropole beordert, um bei der «Bewältigung der Krise» zu helfen, wie ein Gesundheitsbeamter zitiert wurde. Erkrankte werden jetzt in «Gemeinschaftsisolation» in 23 besonders betroffenen Stadtteilen versorgt, bis Spitalbetten frei werden. Die meisten Spitäler machen gar keine Covid-Tests mehr. Denn bei einem positiven Test haben sie den Patienten aufzunehmen. Obwohl es keine freien Betten mehr gibt.

Inzwischen haben die Corona-Sterbezahlen sogar jene der Verkehrstoten überholt, die in Thailand seit jeher notorisch hoch liegen. Am 1. Juli starben landesweit 37 Menschen im Strassenverkehr. Am gleichen Tag gab es 61 Covid-Tote zu beklagen. Dies, nachdem die Corona-Opferzahlen monatelang bei null lagen. Mittlerweile gibt es 271'000 Infektionen und 2141 Todesfälle – während die staatliche Corona-Behörde dringend mehr Isolierstationen und Intensivbetten in Bangkok fordert. Derweil sind Restaurants in der thailändischen Hauptstadt wieder geschlossen. Auf den sonst überfüllten Strassen herrscht deutlich weniger Verkehr. Auch die Skytrain-Hochbahn ist zu Stosszeiten praktisch leer. Migranten in Arbeitercamps von Baustellen dürfen die Camps für einen Monat nicht verlassen. Sie gelten als Treiber hinter der neuesten Welle. Dies, obwohl die Elite in illegalen Clubs Party machte und die Welle erwiesenermassen lostrat.

Bestellung von Impfstoffen war keine Priorität

Es fehlt an Impfstoffen, Intensivstationen sind überfüllt und die ansteckendere Delta-Variante greift um sich. Die Regierung weist Vorwürfe des Missmanagements zurück. Thailand verpasste es, Impfungen zu bestellen. Stattdessen setzt es auf die Lizenzproduktion von Astrazeneca. Diese lief verspätet an, mit geringeren Zahlen als veranschlagt – und Teile der Produktion gehören an südostasiatische Nachbarn geliefert. Gerade für Ausländer ist es in dieser schwierigen Zeit praktisch unmöglich, den Piks zu bekommen. Die eigene Bevölkerung hat Vorrang.

Zudem wird der chinesische Impfstoff Sinovac verimpft – doch Zahlen aus Ländern, die hauptsächlich auf chinesische Impfmittel setzen, zeigen, dass auch zahlreiche vollständig Geimpfte sogenannte Impfdurchbrüche erleiden, also Neuinfektionen trotz Impfschutz. Auf den Seychellen, in Chile, Bahrain und der Mongolei sind mehr als die Hälfte der Bevölkerungen vollständig geimpft worden. Dennoch rangierten alle vier Ende Juni unter den Top 10 der Länder mit den schlimmsten Covid-Ausbrüchen. Alle vier Länder verwenden hauptsächlich chinesische Impfstoffe.

Das Chaos in Thailand macht perfekt, dass Unternehmen und Spitäler auf eigene Hand vorzupreschen versuchen. Weltweit sind Regierungen in Kontrolle ihrer Impfprogramme. Nicht so in Thailand, wo die Regierung und ausufernde Staatsbürokratie eher als Hindernis im Kampf gegen Covid gelten. Unternehmen wollen daher in Eigenregie Impfstoffe wie die mRNA-Mittel von Moderna und Pfizer/Biontech importieren. Doch diese Pharmakonzerne liefern nur an Regierungen. Und die thailändische Regierung hat keine Verträge mit den fraglichen Pharmamultis abgeschlossen. Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul schiebt den Schwarzen Peter im Gegenteil zurück. Die Regierung habe keinerlei Verpflichtung, mRNA-Vakzine zu erwerben oder gar Anzahlungen dafür zu leisten.

Hoffen auf die Prinzessin

Derweil steigt die Empörung im Volk über die Regierung unter Putschgeneral Prayuth Chan-ocha (67). Ärzte, Intellektuelle, NGOs – alle kritisieren die Machthaber. Diese Woche trendete auf Twitter, die Regierung töte das Volk.

Dies, während am 1. Juli ein erster Flieger mit 25 Touristen in Phuket landete. Ein Pilotprogramm öffnet die Ferieninsel für vollständig geimpfte Feriengäste – wobei eine Fülle von Auflagen befolgt gehört. Der Sportminister veranstaltete zum Anlass ein üppiges Bankett. Dies, während Restaurants in Bangkok geschlossen bleiben und im ganzen Land strikte Auflagen herrschen.

Im Volk wird spekuliert, zu ihrem heutigen Geburtstag am 4. Juli kündige Prinzessin Chulabhorn Walailak (63) den Import von dringend benötigten weiteren Impfstoffen an. Sie schaffte es bereits, das erwiesenermassen wirksamste chinesische Impfmittel Sinopharm ins Land zu bringen. Jetzt ruhen Hoffnungen auf der Prinzessin, auch an die mRNA-Mittel zu kommen.

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