Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (35, ÖVP) ist Geschichte. Am Montag wurde sein Nachfolger Alexander Schallenberg (52, ÖVP) in Wien vereidigt. Und machte direkt klar: Er werde mit seinem der Korruption beschuldigten Parteichef Kurz «selbstverständlich» eng zusammenarbeiten. Er halte die Vorwürfe für falsch. Für die Schweiz könnte das Politchaos im Nachbarland einen positiven Nebeneffekt haben: Der neue Kanzler und der neue Aussenminister sind nämlich Schweiz-Kenner.
Christoph Bubb (68) war bis Oktober 2017 Schweizer Botschafter in Wien. Und weiss: «Schallenberg hat einen näheren Bezug zur Schweiz, als geschrieben wurde. Seine Mutter ist Schweizerin. Und ihr Vater war Alfred Schaefer, früherer Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen Bankgesellschaft.»
Auch der Aussenminister ist Schweiz-Kenner
Auch der neue Aussenminister, Michael Linhart (63), kenne die Schweiz bestens: «Er ist Vorarlberger aus Bregenz am Bodensee, Bergsteiger und sehr guter Kenner der Schweiz.» Für die Schweiz sei die neue Besetzung also sicher keine Verschlechterung. «Trotzdem sollte man die Erwartungen nicht zu hoch ansetzen.»
Zwar stehen sich die beiden Nachbarländer mit grosser Sympathie gegenüber. Und in der Vergangenheit brachten die Österreicher immer wieder Schweizer Anliegen in Brüssel ein. Aber: «Österreich ist Teil der Europäischen Union. Und wenn in Brüssel etwas gegen die Schweizer Interessen entschieden wird, wird sich auch Österreich daran halten.»
Wie realistisch sind Kurz' Comeback-Ambitionen?
Auf eine Prognose, wie es in Österreich mit dem Kanzlerskandal weitergehen könnte, will sich der erfahrene Diplomat nicht einlassen: «In Österreich sagt man: ‹Schau mer mal, dann werden wir sehen.›» Den angeschlagenen Ex-Kanzler würde Bubb aber nicht zu früh abschreiben: «Ich würde eine Rückkehr von Kurz ins Kanzleramt nicht definitiv beerdigen – wenn es keinen direkten Zusammenhang zwischen ihm und diesen Zahlungen gibt.» Und: Er müsse glaubhaft machen können, dass seine verbalen Entgleisungen in den geleakten Textnachrichten einmalige Ausrutscher waren.
Hintergrund: In den publik gewordenen und von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Textnachrichten intrigierte Kurz hemmungslos gegen Verbündete. Und wer ihm nicht passte, wurde auch mal als «Arsch» abgekanzelt. Ein weiterer Vorwurf: Die Clique um den Kanzler soll Medienberichte gekauft und erst noch mit Steuergeld bezahlt haben.
Ausgeprägte «Freunderlwirtschaft» in Österreich
Von einem grundsätzlichen Korruptionsproblem in unserem Nachbarland mag Ex-Botschafter Bubb nicht sprechen. Aber: «Tatsache ist, dass es in Österreich eine ausgeprägte Freunderlwirtschaft gibt. Eine Verbandelung der politischen Akteure. Es gibt enge Verbindungen zwischen Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien.» Gute Beispiele seien die Ballsaison im Januar oder die Eröffnung der Salzburger Festspiele im Sommer. «Da sind alle dabei, die Rang und Namen haben und die Geschicke des Landes lenken. Das kennt man in der Schweiz so nicht.»
Die Frage, wie eng diese Freunderlwirtschaft um den beschuldigten Ex-Kanzler Kurz und seine Mitbeschuldigten war – und ob er die Grenzen der Legalität überschritt –, dürfte Österreich noch länger beschäftigen.