Grosse Empörung in der Türkei und bei Präsidenten in der ganzen Welt. Die Türkei ist aus der sogenannten Istanbul-Konvention ausgetreten, die Gewalt an Frauen verhindern und bekämpfen soll. Eine entsprechende Entscheidung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wurde in der Nacht zu Samstag im Amtsblatt veröffentlicht.
Der Austritt aus der Istanbul-Konvention wurde in einem Dekret Erdogans verkündet. Das internationale Abkommen war 2011 vom Europarat ausgearbeitet worden. Ziel ist ein europaweiter Rechtsrahmen, um Gewalt gegen Frauen zu verhüten und zu bekämpfen. Erdogan selbst hatte die Konvention in Istanbul – dem Ort der finalen Einigung – unterschrieben, damals noch als Ministerpräsident.
Aufschrei in Europa
Der nun verkündete Ausstieg bestärke Mörder von Frauen, Belästiger und Vergewaltiger, schrieb die Organisation Frauenkoalition Türkei in einer Stellungnahme. Der Europarat nannte den Rückzug der Türkei aus dem Übereinkommen «eine verheerende Nachricht».
Auch sonst löste die Meldung grosse Empörung aus. Die deutsche Bundesregierung sprach von einem falschen Signal an Europa, aber vor allem an die Frauen in der Türkei. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell forderte die Türkei auf, den Austritt rückgängig zu machen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erklärte, Frauen verdienten einen starken Rechtsrahmen, um sie zu schützen.
Auch Biden kritisiert Austritt
US-Präsident Joe Biden hat den Rückzug der Türkei aus einem internationalen Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt als «zutiefst enttäuschend» kritisiert. «Dies ist ein entmutigender Rückschritt für die internationale Bewegung, die Gewalt gegen Frauen weltweit zu beenden», hiess es in einer am Sonntag vom Weissen Haus verbreiteten Mitteilung.
Mehrere Anwälte kritisieren, Erdogan habe nicht das Recht, eigenständig über den Austritt zu entscheiden. Stattdessen müsse das Parlament entscheiden. Selbst der türkische Justizminister, Adbülhamit Gül, twitterte, Austritten aus internationalen Abkommen müsse das Parlament zustimmen.
Politiker verteidigen Entscheidung
Der türkische Vizepräsident, Fuat Oktay, verteidigte die Entscheidung. Oktay twitterte, die Türkei müsse andere nicht imitieren. Die Lösung für den Schutz von Frauenrechten «liegt in unseren eigenen Bräuchen und Traditionen».
Viele Menschen im Land seien der Überzeugung, dass die Istanbul-Konvention die Lebensweise homosexueller Menschen fördere - und sähen das als Bedrohung «traditioneller Werte», sagte Yeneroglu.
Auch Erdogan betonte anlässlich des Weltfrauentags am 8. März, man wolle stärker gegen Gewalt an Frauen vorgehen und Familien stärken, deren Fundament «Mann und Frau» seien. (zis/SDA)