Auf einen Blick
- 72-jährige Frau sagt in Vergewaltigungsprozess aus
- Ehemann betäubte sie mit Schlafmitteln und vergewaltigte sie
- Ermittler fanden 4000 Fotos und Videos von 200 Vergewaltigungen
«Meine Welt ist zusammengebrochen, alles ist zusammengebrochen, was ich in 50 Jahren aufgebaut habe.» Gisèle P.* (72) braucht an diesem Donnerstag besonders viel Kraft. Sie berichtet vor Gericht im französischen Avignon über den Moment, als sie erfuhr, dass sie von ihrem Ehemann Dominique P.* (71) jahrelang unter Drogen gesetzt wurde. Zuerst wurde sie mit Schlafmitteln betäubt und anschliessend vergewaltigt. Von Dominique P., aber auch von fremden Männern, die er im Internet kennengelernt hatte.
Erst im November 2020 fliegt der Horror auf, nachdem Dominique P. ins Visier der Justiz geraten war, weil er in einem Einkaufszentrum Frauen unter den Rock gefilmt hatte. Die Ermittler stiessen bei Durchsuchungen dann auf die Fotos und Videos. Der Prozess hatte am Montag in Avignon begonnen und soll bis zum 20. Dezember dauern.
«Für mich sind das Horrorszenen»
«Die Polizisten, die den Computer von Herrn P. durchsucht haben, haben mir das Leben gerettet», so Gisèle P. weiter beim Prozess. Auf dem Computer fanden die Ermittler Tausende Fotos und Videos der Vergewaltigungen. Als sie die Aufnahmen durch die Polizei zum ersten Mal zu Gesicht bekam, konnte sie es nicht glauben. «Ich liege regungslos im Bett und werde vergewaltigt. Das sind barbarische Szenen.» Und weiter: «Für mich sind das Horrorszenen.»
Sie habe sich niemals für Sex zu dritt oder für Partnertausch interessiert, erklärte sie in Anspielung auf Fragen der Verteidiger vom Vortag, die auf eine Interpretation der Vorfälle als freizügige Sexspiele hinausliefen. «Das soll bloss niemand Sex nennen, das sind Szenen von Vergewaltigungen», betonte sie. Ihr Noch-Ehemann Dominique P., von dem sie sich derzeit scheiden lässt, hörte ihre Aussagen vor Gericht mit gesenktem Kopf an.
Abscheu äusserte das Opfer hinsichtlich der mutmasslichen Täter, die angegeben hätten, sich keiner Vergewaltigung schuldig zu fühlen. «Diese Personen wussten sehr wohl, was sie taten und in welchem lethargischen Zustand ich mich befand.»
Gisèle P. bekam von dem jahrelangen Missbrauch den Angaben nach nichts mit, weil ihr Mann sie massiv unter Medikamente gesetzt haben soll. Allerdings klagte sie seit langem über Gedächtnislücken und grosse Müdigkeit. «Ich war betäubt, wie wenn man in den Operationssaal kommt, danach kann man sich nicht mehr an die Operation erinnern. Genau das ist bei mir passiert.»
«Feuerwehrmann Chris» und «Motorradfahrer»
Die Ermittler fanden bei dem Hauptangeklagten fast 4000 Fotos und Videos, die er unter anderem auf einer Festplatte in einem Ordner namens «Missbrauch» gespeichert hatte. Für viele der mutmasslichen Vergewaltiger, die er in Internetforen kontaktierte, legte er Unterordner mit deren Pseudonymen an, etwa «Feuerwehrmann Chris», «Motorradfahrer» oder «schwarzer David».
Insgesamt wurden 200 Vergewaltigungen von Gisèle P. zwischen 2011 und 2020 ermittelt. Die meisten beging ihr Ehemann, in 92 Fällen waren es andere Männer. Neben Dominique P. müssen sich 50 weitere Männer vor Gericht verantworten und riskieren Haftstrafen von bis zu 20 Jahren. Sie sind zwischen 26 und 74 Jahre alt und haben nach Ansicht von psychologischen Experten bei den Vergewaltigungen der bewusstlosen Frau Allmachtsphantasien ausgelebt.
* Namen der Redaktion bekannt