Im russischen Krieg gegen die Ukraine ist keine Grausamkeit mehr auszuschliessen: Nun wird dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) vorgeworfen, dass er ukrainische Zivilpersonen in «Filtrationslager» abschiebt, bevor er sie in abgelegene sibirische Städte zwingt. Das zumindest befürchtet die Stadtverwaltung von Mariupol.
Nach deren Angaben wurden bisher mehrere Tausend Menschen aufgegriffen, in Camps gebracht und danach in abgelegene Städte in Russland geschickt, wo sie jahrelang bleiben und ohne Lohn arbeiten sollen.
Russische Nachrichtenagenturen berichteten, dass in den letzten Tagen Busse mit Hunderten von Flüchtlingen aus der belagerten südöstlichen Hafenstadt Mariupol in Russland eingetroffen seien. Moskauer Beamte erklärten ausserdem, dass eine Zugladung mit über 280 Ukrainern aus Mariupol «gerettet» worden sei, und zeigten Aufnahmen, auf denen sie sich angeblich bei den russischen Streitkräften bedankten.
Bürgermeister von Mariupol vergleicht Situation mit Zweitem Weltkrieg
Der Bürgermeister von Mariupol, Vadym Boichenko (44), zog derweil gar einen Vergleich zu den Gefangenentransporten des Naziregimes während des Zweiten Weltkriegs. «Was die Besatzer heute tun, ist der älteren Generation vertraut, welche die schrecklichen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs miterlebt hat, als die Nazis Menschen gewaltsam verschleppten. Es ist schwer vorstellbar, dass im 21. Jahrhundert Menschen gewaltsam in ein anderes Land verschleppt werden können», sagte er zu CNN.
Ein Beamter der Stadtverwaltung von Mariupol, Pavlo Kyrylenko (35), sagte am Sonntag, dass die Bewohner der von Russland kontrollierten Gebiete in «Filtrationslager», die bereits während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit dazu dienten, sowjetische «Staatsfeinde» auszuhorchen, geschickt würden und dass Moskaus Männer «ihre Telefone überprüfen und ihre ukrainischen Dokumente beschlagnahmen» würden. Bestätigt sind diese Berichte allerdings nicht von unabhängigen Stellen.
Aussenminister verurteilen «Entführung und Deportation»
Die von Russland unterstützten Separatisten in der Ostukraine erklärten am Sonntag, dass seit dem 5. März 2973 Menschen aus Mariupol evakuiert worden seien, davon 541 in den letzten 24 Stunden. Von ukrainischer Seite fehlen Angaben dazu. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield (69), erklärte gegenüber CNN, die Berichte über die Deportationen seien «beunruhigend» und «skrupellos», falls sie wahr seien. Washington habe sie jedoch nicht bestätigt.
Dennoch sei sie erschüttert über die Möglichkeit. «Menschen aus der Ukraine zu zwingen, nach Russland zu gehen, ist absolut inakzeptabel, es ist skrupellos. Ich traue es den Russen zu, eine solche schreckliche Aktion durchzuführen. Das wäre eine weitere Eskalation, die aber angesichts des schrecklichen russischen Drucks auf Mariupol nicht ausserhalb des Bereichs des Möglichen liegt», sagte sie laut CNN.
Die britische Aussenministerin Liz Truss (46) hat die «Entführung und Deportation» von Ukrainern aus der belagerten Stadt Mariupol verurteilt. Sie zeigte sich «entsetzt» über die Berichte und versprach, Putin für seine Behandlung von Zivilisten während der Invasion «zur Rechenschaft zu ziehen». (chs)