Führte Schlamperei zum Absturz der Boeing 737 Max?
So winkte die US-Flugaufsicht den Todesflieger durch

Gegen den US-Flugzeughersteller Boeing werden schwere Vorwürfe erhoben: Hat dieser bei der Entwicklung der 737 Max geschlampt und die Bundesluftfahrtbehörde FAA getäuscht? Mitarbeiter des Unternehmens und der Behörde berichten von groben Verstössen.
Publiziert: 18.03.2019 um 18:58 Uhr
|
Aktualisiert: 19.03.2019 um 09:10 Uhr
1/8
Ein Reporter der «Seattle Times» erhebt gegen den US-Flugzeughersteller Boeing schwere Vorwürfe: Es soll zu groben Verstössen bei der Entwicklung des Flugkontrollsystems der Boeing 737 Max gekommen sein.
Foto: AFP

Zwei Flugzeugabstürze innerhalb von fünf Monaten: Der Flugzeughersteller Boeing steht wegen seines Modells 737 Max harsch in der Kritik. Seit dem jüngsten Unglück in Äthiopien sind rund um den Globus Flugverbote für dieses Modell erlassen worden. Boeing kündigte eine Software-Aktualisierung an. Doch das Softwareproblem scheint nur die Spitze des Eisbergs. Es soll zu groben Verstössen bei der Entwicklung des Flugkontrollsystems gekommen sein:

  • Wichtige Informationen wurden der US-Luftfahrtbehörde FAA vorenthalten
  • Das Höhenruder konnte um das Vierfache stärker bewegt werden, als der FAA mitgeteilt wurde
  • Verantwortlichkeiten wurden von der FAA an Boeing delegiert
  • Es besteht ein Zusammenhang mit dem Absturz des gleichen Modells in Indonesien

Dominic Gates, Reporter bei der «Seattle Times», will Beweise dafür haben, dass Boeing weite Teile der Flugtests und der Entwicklung der Maschine offenbar ohne direkte Aufsicht der Bundesluftfahrtbehörde FAA durchgeführt hat. Damit habe der Flugzeughersteller Zeit sparen wollen. Nach Aussagen von Kronzeugen seien der FAA dafür wichtige Informationen vorenthalten worden.

Die FAA sei daran aber nicht unbeteiligt gewesen: Wenn FAA-Techniker keine Zeit hatten, eine Überprüfung durchzuführen, unterschrieben deren Manager die Dokumente entweder selbst oder delegierten die Kontrollaufgabe an Boeing. Für den Flugzeughersteller war die gewonnene Zeit von entscheidender Bedeutung. Denn: Die Entwicklung der 737 Max lag nämlich neun Monate hinter dem französischen Konkurrenzmodell Airbus A320neo zurück. 

System soll bei beiden Abstürzen eine zentrale Rolle gespielt haben

Bei den Verstössen soll es sich hauptsächlich um das sogenannte «Maneuvering Characteristics Augmentation System» (MCAS) handeln. Dieses soll bei beiden Abstürzen eine zentrale Rolle gespielt haben, wie erste Auswertungen des Flugschreibers der äthiopischen Unglücksmaschine ergeben haben. Das Steuerungssystem MCAS an Bord der 737 Max soll eigentlich verhindern, dass das Flugzeug während dem Flug einen Strömungsabriss erleidet und abstürzt. Dies, weil die Boeing 737 Max durch die grösseren und nach vorne versetzten Triebwerke mit der Nase gern nach oben zieht.

Störungsanfälliges System

Doch das MCAS ist offenbar äusserst anfällig für Störungen, weil es von Informationen von nur einem einzigen Sensor abhängt, der die Lage des Flugzeugs in der Luftströmung misst. Sendet dieser falsche Werte, beginnen die Flugcomputer an Bord, das Höhenruder zu verstellen und die Nase des Flugzeugs herunterzudrücken. Wenn die Piloten darauf nicht schnell genug reagieren würden, kann es zum Absturz kommen. 

Ingenieure von FAA und Boeing gaben gegenüber Journalist Gates an, dass das Höhenruder viel stärker vom Computer bewegt werden darf, als der FAA offiziell mitgeteilt wurde – konkret um das Vierfache. Bei einem solch heftigen Ausschlag des Höhenruders, könne das Flugzeug praktisch nicht mehr kontrolliert werden. 

Absturz in Indonesien

Die Black-Box-Daten vom Lion-Air-Absturz in Indonesien, im Oktober 2018, liefern folgende erste Erkenntnisse: Es deutet alles auf einen fehlerhaften Sensor hin, der mehrmals während des Flugs MCAS ausgelöst hatte – mit tödlichen Folgen. Der Kapitän des Flugzeugs hatte insgesamt 21 Mal dagegen gesteuert und übergab danach die Kontrolle an den ersten Offizier.

Als MCAS die Nase des Flugzeugs noch zwei- oder dreimal nach unten drückte, versuchte der Erste Offizier die Flughöhe zu korrigieren – offenbar aber zu wenig. Die letzten Sekunden der Black-Box-Daten zeigen, dass der Kapitän wieder die Kontrolle übernahm und versuchte das Flugzeug nach oben zu ziehen. Jedoch zu spät – die Maschine stürzte mit mehr als 800 km/h ins Meer.

Das sind die finanziellen Auswirkungen für Boeing
1:02
Negative Folgen des Absturzes:Das sind die finanziellen Auswirkungen für Boeing
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?