Flugzeugträger vor China, explosiver Vereidigungs-Gast, Kampfansagen
Bidens Muskelspiele

Seit Beginn seiner Amtszeit geht Joe Biden praktisch täglich gegen China vor. Was steckt dahinter – und was fehlt ihm?
Publiziert: 31.01.2021 um 16:03 Uhr
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Aktualisiert: 24.03.2021 um 20:02 Uhr
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Mit harter Hand: Joe Biden setzt China unter Druck.
Foto: imago images/UPI Photo
Fabienne Kinzelmann

Joe Bidens (78) explosivster Vereidigungsgast war eine Taiwanesin. Stolz twitterte Hsiao Bi Khim (49), oberste Vertreterin des Inselstaats in den USA, ein Video vor dem Kapitol in Washington: «Demokratie ist unsere gemeinsame Sprache, und Freiheit ist unser gemeinsames Ziel.» Das erste Mal seit vier Jahrzehnten war Taiwan offiziell bei der Amtseinführung eines US-Präsidenten vertreten. Dafür bekam Joe Biden selbst von seinen politischen Gegnern Applaus: Der republikanische Senator Jim Risch (77), Vorsitzender des Auslandsausschusses, beglückwünschte die Biden-Regierung auf Twitter zu dem historischen Schritt.

Die Einladung an die De-facto-Botschafterin war eine deutliche Kampfansage an Peking, das den Inselstaat im Rahmen der Ein-China-Politik beansprucht. Seit der Amtseinführung bezieht Joe Biden praktisch täglich Stellung gegen China. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger spielen Strafzölle und Twitter dabei aber keine Rolle.

Noch am ersten Amtstag trat er der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wieder bei, deren Experten seit Freitag in China den Ursprung des Coronavirus untersuchen. Und nachdem Taiwan gemeldet hatte, dass chinesische Kampfflugzeuge seinen Luftraum verletzt hätten, schickte Biden gleich an seinem ersten Amtswochenende den Flugzeugträger USS Theodore Roosevelt ins Südchinesische Meer, das China zum Grossteil beansprucht (Nine-Dash Line, siehe Grafik) – offiziell eine «Übung».

Biden kämpft um die Führungsrolle der USA

Peking reagierte düpiert. Das US-Manöver sei eine «Machtdemonstration und nicht förderlich für den Frieden und die Stabilität in der Region», wetterte ein Sprecher des Aussenministeriums. Und Chinas Präsident Xi Jinping (67) warnte auf dem virtuellen Weltwirtschaftsforum am Montag in Bezug auf die USA vor einem neuen «Kalten Krieg» und beschwor die multilaterale Zusammenarbeit.

Dem hielt die designierte UN-Botschafterin der USA, Linda Thomas-Greenfield (69), entgegen. «Wir wissen, dass China im gesamten System der Vereinten Nationen daran arbeitet, eine autoritäre Agenda voranzutreiben, die den Grundwerten der Institution – den amerikanischen Werten – widerspricht», sagte sie bei ihrer Anhörung im Senat am Mittwoch. Erfolg hänge von Amerikas fortgesetztem Rückzug ab. «Das wird unter meiner Verantwortung nicht passieren.» Am gleichen Tag gab Neu-Aussenminister Antony Blinken (58) seine erste Pressekonferenz. Wie sein Vorgänger warf er der chinesischen Führung Völkermord an der muslimischen Minderheit der Uiguren vor.

Die Aktionen zeigen, wie entschlossen der neue US-Präsident sein Revier gegenüber China absteckt und die Führungsrolle der USA wieder beansprucht. Nach den Trump-Jahren muss Joe Biden Amerikas Platz in der Weltgemeinschaft zurückerobern und das in internationalen Organisationen entstandene Machtvakuum schleunigst wieder füllen.

Auch in der Schweiz wächst Chinas Einfluss

Als etwa Grossbritannien im Rahmen einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrats im vergangenen Juli deutliche Kritik an Chinas Vorgehen gegenüber den Uiguren in der Provinz Xinjiang und am umstrittenen Sicherheitsgesetz für Hongkong einbrachte, fehlten auf der Liste der 27 Unterstützerländer ausgerechnet die USA, sein wichtigster Verbündeter auf der anderen Seite des Atlantiks – die Amerikaner waren 2018 aus dem Menschenrechtsrat ausgetreten. Hingegen verteidigten 46 Länder Chinas Aktionen in Xinjiang und ganze 53 sogar den Umgang mit Hongkong. Eingebracht wurden die Erklärungen von Belarus und Venezuela.

Das Beispiel zeigt: China hat die Trump-Jahre genutzt, um seinen Einfluss in internationalen Organisationen auszubauen und Bündnisse, besonders mit Entwicklungsländern, zu schmieden. Gefährlich ist das, weil China unter Xi Jinping nicht einfach nur nach Macht strebt – sondern die Welt nach seinen Werten verändern will.

Auch hierzulande wächst Pekings Einfluss. Der Basler Professor Ralph Weber, der eine Studie zu Chinas langem Arm in die Schweiz erstellt hat, warnte kürzlich in der «NZZ»: «Die Kommunistische Partei will wichtige Entscheidungsträger in der Schweiz für sich vereinnahmen und sie für Propagandazwecke einspannen. Sie sollen Ideologie und Handlungen des offiziellen Chinas verteidigen – oder diese zumindest nicht grundsätzlich kritisieren.»

Droht ein offener Konflikt?

Joe Bidens Strategie zielt auf Chinas selbstbewusstes Auftreten. Die aufstrebende Grossmacht hat allerdings aktuell einen Vorteil: Abgesehen von kleineren Ausbrüchen hat China das Coronavirus bereits im Griff, die Wirtschaft wuchs im vierten Quartal 2020 gar schneller als vor der Pandemie – die USA hingegen verzeichneten im vergangenen Jahr das schlechteste Wirtschaftswachstum seit dem Zweiten Weltkrieg. Wirtschaftliche Kontrolle ist Chinas Schlüssel zur Macht. Spätestens zum 100. Geburtstag der Volksrepublik im Jahr 2049 will China die USA als grösste Volkswirtschaft überholen.

Geht es mit den USA weiter bergab, könnte China das Ziel auch deutlich schneller erreichen. Die Spannungen im Südchinesischen Meer sind darum nur ein Nebenschauplatz. Einen offenen Konflikt will keine der Seiten riskieren, glauben Experten. China nicht, weil sein Militär trotz der Aufrüstung deutlich kleiner ist – die USA gaben allein 2019 dreimal mehr aus – und die USA nicht, weil zu Hause gerade genügend andere Krisen warten: Corona, Wirtschaft und Klima. All diese Probleme muss Joe Biden lösen, um China international wieder auf seinen Platz zu verweisen.

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