Der Generations- und Führungswechsel bei den US-Republikanern schien eigentlich beschlossene Sache. Bei den Kongress-Zwischenwahlen im November erlitten von Donald Trump geförderte Kandidaten herbe Schlappen, der Ex-Präsident galt fortan als toxische Belastung bei Wahlen. Floridas Gouverneur Ron DeSantis, der aufstrebende Star der Konservativen, wurde dagegen in einem triumphalen Erdrutschsieg wiedergewählt. Viele sahen den 44-Jährigen schon als Kandidaten der Republikaner für die Präsidentschaftswahl 2024 – doch zuletzt lief es nicht mehr rund für den selbsternannten Kämpfer gegen eine linke «Woke»-Ideologie.
Hatten einige Umfragen DeSantis nach den sogenannten Midterms im Vorwahlrennen der Republikaner vor Trump gesehen, ist der erzkonservative Gouverneur wieder deutlich zurückgefallen. Er gilt zwar nach wie vor als der mit Abstand gefährlichste innerparteiliche Rivale Trumps. Doch in einer Reihe von Umfragen liegt DeSantis inzwischen mehr als 30 Punkte hinter dem 32 Jahre älteren Rechtspopulisten – und das trotz Trumps riesiger juristischer Probleme an gleich mehreren Fronten.
Natürlich sind solche Erhebungen neun Monate vor Beginn der parteiinternen Vorwahlen nur sehr bedingt aussagekräftig. Zumal DeSantis offiziell noch gar keine Präsidentschaftsbewerbung verkündet hat, auch wenn das für die kommenden Wochen erwartet wird. Trotzdem ist klar, dass die Dynamik von Ende 2022 verpufft ist – und die DeSantis-Euphorie vieler Republikaner verflogen ist.
Trump mit Hirn?
Zuletzt konnte Trump DeSantis schmerzhafte Niederlagen zufügen, als er sich die Unterstützung mehrerer republikanischer Kongressabgeordneter aus Florida sicherte. Für den Ex-Präsidenten, der seit Monaten unablässig harte Attacken gegen DeSantis fährt, symbolisch wichtige Siege im Revier seines Rivalen.
Dabei ist DeSantis nach wie vor der Hoffnungsträger vieler Konservativer, die das anstrengende Kapitel Trump endlich schliessen wollten. Der frühere Navy-Offizier und Staatsanwalt gilt vielen als Republikaner der Zukunft, stramm rechts, aber weniger skandalträchtig als der Ex-Präsident. Ein «Trump mit Hirn», wie es immer wieder heisst. DeSantis grenzt sich mit dem Seitenhieb von Trump ab, bei ihm gebe es «kein tägliches Drama».
In seinem Bundesstaat hat der Gouverneur zahlreiche rechtsgerichtete Reformen durchgesetzt: Er verschärfte das Abtreibungsrecht, lockerte das Waffenrecht, erleichterte Todesurteile und verbot mit einem umstrittenen Gesetz Schulunterricht über sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität, erst bis zur dritten Klasse, später für alle Klassenstufen.
Dieses von Kritikern als «Don't Say Gay» (Sag nicht schwul) bezeichnete Gesetz hat für besonders viele Schlagzeilen gesorgt – und einen bizarren Streit mit dem Unterhaltungsriesen Disney ausgelöst, der es im vergangenen Jahr nach Protesten von Mitarbeitern wagte, das Gesetz zu kritisieren. DeSantis startete daraufhin einen Rachefeldzug gegen den Vergnügungspark «Disney World» und liess das Selbstverwaltungsrecht des Riesenparks in Orlando beschneiden. Der Streit ist inzwischen vor Gericht gelandet.
Held der Corona-Skeptiker
Dass der Gouverneur einen der wichtigsten Steuerzahler und Arbeitgeber in seinem Bundesstaat attackiert, hat für viel Kopfschütteln gesorgt – auch in den Reihen der Republikaner, bei denen Unternehmerfreundlichkeit zur DNA gehört. Trump kostet die Schlacht DeSantis-Disney genüsslich aus und spottete im April, der Gouverneur werde von dem Unterhaltungsriesen «absolut zerstört».
Der Streit mit Disney ist ein Beispiel dafür, dass es DeSantis in seinem Kampf gegen alles, was er für linke «woke»-Ideologie hält, womöglich selbst für viele Konservative zu weit treibt. Der Gouverneur zielt mit seiner Politik vor allem auf die rechte Basis ab – und riskiert damit, gemässigte Wähler zu verprellen. Doch DeSantis hat sich immer schon gerne in Kulturkämpfe gegen das linksliberale Lager gestürzt.
Seine politische Karriere hatte der Absolvent der Elite-Universitäten Yale und Harvard 2012 gestartet, als er für einen Wahlkreis in seinem Heimatbundesstaat Florida in das US-Repräsentantenhaus gewählt wurde. Dort war er einer der Mitbegründer der weit rechts stehenden Parlamentariergruppe Freedom Caucus, der heute unter anderem die berüchtigte Rechtspopulistin Marjorie Taylor Greene angehört.
2018 wurde er dann zu Floridas Gouverneur gewählt – ironischerweise dank der tatkräftigen Unterstützung Trumps, der seinem einstigen Schützling jetzt Illoyalität vorwirft. Für Aufsehen sorgte DeSantis in der Corona-Pandemie mit einem äusserst lockeren Kurs im Kampf gegen das Virus. Er wurde damit zum Helden all jener, die Lockdowns und andere Anti-Corona-Massnahmen als staatliche Tyrannei ansehen.
Am Wochenende hat DeSantis politische Auftritte in Iowa – dem Bundesstaat, in dem Anfang kommenden Jahres die Vorwahlen der Republikaner beginnen und der deswegen symbolisch sehr wichtig ist. Ebenfalls am Wochenende in dem Bundesstaat im Mittleren Westen: sein Rivale Trump. (AFP)