Eine gebürtige Ukrainerin, die sich als Erbin der Rothschild-Dynastie ausgab, infiltrierte das Mar-a-Lago-Anwesen von Donald Trump (76) in Florida. Schnell machte die Frau sogar Kontakt mit dem Ex-Präsidenten selber – und spielte mit Trump Golf. Dabei soll die Immigrantin für russische Verbrecherbanden Zugang zum inneren Kreis von Trump gesucht haben. Dies berichten US-Medien unter Berufung auf Ermittlungen des FBI und Kanadas.
Die junge Frau nannte sich Anne de Rothschild. Sie umgab sich mit einer Aura von Luxus, trug Designerkleider, eine Rolex und fuhr einen schwarzen 170'000-Dollar-Mercedes. Sie sprach über Weinberge, Familiengüter und darüber, dass sie in Monaco aufgewachsen sei. Schnell lernte sie den Ex-Präsidenten kennen. Schon am Tag nach ihrem ersten Besuch in Trumps Privatclubs Mar-a-Lago spielte sie Golf mit ihm. Das war im Mai 2021. Ein Foto zeigt die heute 33-Jährige neben Trump. Beiden zeigen mit ihren Daumen nach oben und lächeln. Auf einem weiteren Foto macht der einflussreiche republikanische Senator Lindsey Graham (67) das Trio komplett, ebenfalls lächelnd mit Daumen nach oben.
In Wahrheit heisst die russischsprachige, in der Ukraine geborene Einwanderin Inna Yashchyshyn. Sie ist die Tochter eines Lastwagenfahrers in Buffalo Grove, Illinois. Mit links umging sie die Sicherheitsprotokolle um Trumps Club, Anwesen und Wohnsitz. Dabei waren nicht nur ihr Name und ihre Herkunft erlogen. Offenbar dealte sie auch mit gefälschten Pässen und Ausweisen. Yashchyshyn verfügte über vier Pässe: einen ukrainischen, einen russischen, einen kanadischen und einen US-amerikanischen. Laut dem kanadischen ist sie in Monaco geboren, laut dem amerikanischen in Russland. Und gemäss ihrem in Florida ausgestellten Führerausweis lebte «Anna de Rothschild» auf der Luxusinsel San Marco zwischen Miami und Miami Beach. Dort aber hatte man sie noch nie gesehen.
Brisantes Timing
Jetzt haben die US-Bundespolizei FBI und die kanadischen Strafverfolgungsbehörden umfassende Ermittlungen gegen Yashchyshyn eingeleitet. Das Timing ist brisant. Schnell war es der jungen Frau gelungen, in Trumps innerem Kreis selbst zum ehemaligen Präsidenten vorzustossen. Das wirft neue Bedenken hinsichtlich der geheimen Dokumente auf, die Trump in Mar-a-Lago bei sich zu Hause gebunkert hat.
Wie inzwischen bekannt wurde, beschlagnahmte das FBI bei der Razzia am 8. August im Trump-Anwesen auch Dokumente, die möglicherweise Spionen im Einsatz erlangt worden waren. Eine geschwärzte, am Freitag veröffentlichte Version der 32-seitigen Erklärung des FBI, erläutert, dass 14 der 15 sichergestellten Kisten geheime Dokumente enthielten, darunter einige mit der Aufschrift «HCS (Humint Control System)».
Humint, das ist die Abkürzung für «Human Intelligence». So werden Informationen bezeichnet, die durch zwischenmenschliche Kontakte gesammelt wurden oder von menschlichen Quellen stammen. Nun wird ermittelt, welche Motive Yashchyshyn hatte und ob sie im Auftrag einer Organisation handelte.
«Inventing Anna»
Es wird vermutet, dass Yashchyshyn in Begleitung des Trump-Spenders Elchanan «Elki» Adamker im Mai 2021 Zugang zum Privatclub Mar-a-Lago erhielt und schon am nächsten Tag für ein Foto mit Trump posierte. Dies berichtet die «Pittsburgh Post-Gazette» in einer ausführlichen Recherche. Als Gast von einem zahlenden Clubmitglied in Mar-o-Lago hatte sie Zugang zu zahlreichen Räumlichkeiten im Privatclub und um Trumps Privatgemächer.
Wie sich jetzt herausgestellt hat, arbeitete sie nicht, wie behauptet, an einer Formel-1-Rennstrecke in Miami, einem Hochhaushotel in Monaco und Luxussuiten in Montreal. Yashchyshyn soll die von ihr präsidierte wohltätige Stiftung United Hearts of Mercy als Fassade benutzt haben, um Mittel für russische Banden des organisierten Verbrechens zu beschaffen. Seit Februar wird dazu auch im kanadischen Quebec gegen die Frau ermittelt. Das Intestigativportal «OCCRP», das globales organisiertes Verbrechen und Korruption aufzudecken versucht, nennt Yashchyshyn eine «bekennende Trickbetrügerin mit Verbindungen zu einer betrügerischen Wohltätigkeitsorganisation».
Die Offenheit von Mar-a-Lago erfordere ein umfassenderes Schutzniveau und gründlichere Hintergrundkontrollen, sagte Ed Martin, ein ehemaliger Spezialagent des US-Finanzministeriums, dem Investigativportal «OCCRP». «Das ist Trumps Residenz. Sie hätte nicht dort sein dürfen.» Mitglieder von Trumps innerem Kreis sollen schliesslich über Rothschild-Kontakte in Florida erfahren haben, dass Yashchyshyn gar keine Erbin der Bankendynastie ist. (kes)