Fast jeder zweite Test positiv
Wird Corona in Nepal noch schlimmer als in Indien?

Nepal hat ein fragiles Gesundheitssystem, mit weniger Ärzten pro Kopf als Indien und einer niedrigeren Impfrate. Dass die heutige Situation stark an jene im Nachbarland vor ein paar Wochen erinnert, verheisst nichts Gutes.
Publiziert: 06.05.2021 um 17:11 Uhr
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Aktualisiert: 12.05.2021 um 13:34 Uhr
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Bilder wie in Indien: Arbeiter kremieren in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu die Leichen von Corona-Toten.
Foto: AFP

In Nepal bahnt sich die nächste Corona-Katastrophe an. Die Covid-19-Fälle schiessen in die Höhe, die Krankenhäuser sind überlastet. Pro 100'000 Einwohner gibt es täglich etwa 20 neue Corona-Infektionen. Das sind ungefähr die gleichen Zahlen wie in Indien vor zwei Wochen.

Wie das Rote Kreuz in Nepal meldet, waren am vergangenen Wochenende 44 Prozent der landesweit durchgeführten Corona-Tests positiv. «Was gerade in Indien passiert, ist ein erschreckender Vorgeschmack auf die Zukunft Nepals, wenn wir die jüngste Covid-Welle nicht eindämmen können, die von Minute zu Minute mehr Menschenleben fordert», sagt der Vorsitzende des Nepalesischen Roten Kreuzes, Netra Prasad Timsina.

Täglich 6000 bis 8000 Neuinfektionen

Der hohe Anteil positiver Tests deutet darauf hin, dass viele Fälle unentdeckt bleiben. Seit Anfang Mai werden in dem 31-Millionen-Einwohner-Land täglich 6000 bis weit über 8000 neue Infektionen vermeldet. Das ist fast eine Verdoppelung im Vergleich zu Ende April. Die schnelle Ausbreitung des Virus weckt Befürchtungen, dass Nepal am Rande einer noch schlimmeren Krise steht als sie Indien derzeit durchmacht. Denn Nepal hat ein fragiles Gesundheitssystem, mit weniger Ärzten pro Kopf als Indien und einer niedrigeren Impfrate.

Laut dem Covid-19-Aktionsplan der Regierung vom vergangenen Mai verfügt das Land nur über 1'595 Intensivbetten. Zum Vergleich: Der Schweiz stehen bei einer mehr als drei Mal kleineren Bevölkerungsanzahl 908 Intensivbetten zur Verfügung. Den nepalesischen Behörden zufolge gab es Stand Samstag bereits in 22 der 77 Distrikte des Landes einen Mangel an Krankenhausbetten. Zudem gibt es bereits Meldungen über Knappheit an Sauerstoffflaschen.

Premierminister warb für unbewiesene Heilmethoden

Schuld an der dramatischen Entwicklung könnten Massenveranstaltungen sein, die Nachlässigkeit von Regierung und Bevölkerung im Umgang mit dem Virus sowie die Nachbarschaft zu Indien. Die Kontrollen an der ansonsten offenen Grenze wurden unlängst verschärft. Rückkehrer müssen sich neu zum Beispiel testen lassen. Auch hat die Regierung weitere Massnahmen ergriffen, etwa die Abriegelung von besonders betroffenen Gebieten wie der Hauptstadt Kathmandu oder ein strikter Lockdown.

Bis vor kurzem hatte sich jedoch auch der Premierminister Sharma Oli (69) noch an Massenveranstaltungen gezeigt. Zudem warb er für unbewiesene Heilmethoden gegen Covid-19 wie das Gurgeln mit Guavenblättern oder Kurkuma.

Berichte über Verdachtsfälle im Everest-Basiscamp

Mittlerweile scheint die Regierung den Ernst der Lage begriffen zu haben. «Die Situation verschlimmert sich von Tag zu Tag und könnte in Zukunft ausser Kontrolle geraten», sagt Samir Adhikari, ein Sprecher des nepalesischen Ministeriums für Gesundheit und Bevölkerung. Die Regierung versuche ihr Bestes.

Trotzdem hat sich Corona inzwischen bereits weit über die Hauptstadt hinaus und offenbar sogar bis zum Everest-Basiscamp ausbreitet. Hunderte ausländische Bergsteigerinnen und Bergsteiger mit einheimischen Teams bereiten sich dort darauf vor, die Spitze des höchsten Bergs der Welt zu erklimmen. Nepal hat dieses Jahr eine Rekordzahl an Genehmigungen erteilt – trotz Pandemie. In dem Zeltlager gab es in den letzten Wochen Dutzende von Verdachtsfällen, wie zwei Quellen gegenüber CNN berichten. Ein norwegischer Bergsteiger wurde nach eigenen Angaben positiv getestet. Die Tourismusbehörde des Landes bestreitet hingegen, dass es dort zu Corona-Erkrankungen gekommen ist.

Inzwischen hat die Regierung alle Flüge von, nach und innerhalb von Nepal gestrichen. Die Regelung soll bis Mitte Monat gelten. Aufgrund der dramatischen Situation im Land hat die Schweiz Nepal am Montag kurzfristig auf die Quarantäneliste gesetzt. (noo)

Not-Krematorien stehen mitten auf der Strasse
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