Lange zittern musste Ferdinand Marcos Junior (64) nicht. Der Politiker, auch unter seinem Übernamen «Bongbong» bekannt, gewinnt die Wahlen zum neuen Präsidenten der Philippinen deutlich. Nach Auszählung von mehr als 97 Prozent der Stimmen bekam er mehr als doppelt so viele Stimmen wie seine schärfste Konkurrentin, die Oppositionsführerin Leni Robredo.
Damit kehrt nach 36 Jahren die Marcos-Familie zurück in den philippinischen Präsidenten-Palast. Bis 1986 regierte der Vater des jetzt gewählten Präsidenten das Land. Mit eiserner Faust und ohne echte, freie Wahlen sorgte Ferdinand Marcos Senior (1917-1989) in dem Inselstaat für diktatorische Verhältnisse.
1986 folgt der Umsturz
Während viele seiner Landsleute um ihr tägliches Überleben kämpfen mussten, lebte die Marcos-Familie in Saus und Braus. Berühmt wurde etwa die Schuhsammlung von Ferdinand Marcos Ehefrau Imelda (92). Fast 3000 Paar, fein säuberlich in einem gigantischen Raum aufgereiht, wurden zum Sinnbild der abgehobenen Diktatoren-Familie. Hunderte Millionen Dollar landeten auf versteckten Bankkonten im Ausland. Alleine 700 Millionen deponierte der Diktator in der Schweiz. Erst 2002 floss das Geld zurück an die philippinische Nationalbank.
1986 hatte das Volk genug von der Diktatur. Nach wochenlangen Protesten musste Ferdinand Marcos Senior mit seiner Familie das Land verlassen. Mit Helikoptern wurde die Familie aus der Hauptstadt Manila ausgeflogen. Nach 20 Jahren brutalen Regimes stürmte das Volk damals den Palast, eine neue Ära brach an.
Vor allem auf junge Wähler gesetzt
Ex-Diktator Marcos Senior starb 1989 im Exil. Anfang der 1990er-Jahre durfte der Rest der Familie wieder in die Philippinen zurückkehren. Marcos Junior ergriff die Chance und lancierte seine politische Karriere, ehe er sich dieses Jahr als möglichen Nachfolger des amtierenden Präsidenten Rodrigo Duterte (77) aufstellen liess. Duterte durfte nach sechs Jahren nicht mehr für eine zweite Amtszeit kandidieren.
Marcos Junior setzte während des Wahlkampfs vor allem auf die jungen Wähler, die keine Erinnerungen an das brutale Regime der 70er- und 80er-Jahre haben. Über YouTube und TikTok erreichte «Bongbong» Millionen Menschen. Gesteuert wurde die Kampagne von einer PR-Agentur.
Marcos Junior verzichtete auf Attacken gegen seine Konkurrenten. Stattdessen engagierte er Influencer und Troll-Fabriken, die andere Kandidaten in einem möglichst schlechten Licht dastehen lassen sollten, sagt der Soziologe Jonathan Ong von der University of Massachusetts zur «NZZ». Auf seinen eigenen Kanälen stellte sich Marcos als volksnaher Familienvater dar, der das Volk einen will.
Angst vor neuer Diktatur
Nach der Bekanntgabe der ersten Wahlresultate kam es vor allem im Süden des Inselstaats zu Protesten. Die wütenden Demonstranten warfen den Behörden Wahlbetrug vor. Zudem beklagten sich tausende Menschen, dass sie aufgrund von Fehlfunktionen der Auszählungs-Maschinen nicht wählen konnten. Die Polizei schritt ein und löste die Proteste gewaltsam auf, mindestens sechs Menschen starben.
Hinzu kommt: Den Berechnungen zufolge wird Sara Duterte-Carpio Vize-Präsidentin. Sie ist die Tochter des scheidenden Präsidenten Rodrigo Duterte, der wegen seines harten Kampfes gegen Drogenkriminalität international am Pranger steht. Unter seiner Führung sollen in den vergangenen sechs Jahren Tausende Menschen von Todeskommandos ermordet worden sein.
«Bongbong» und Duterte-Carpio kandidierten als Duo, ihre einflussreichen Familien gelten als eng verbandelt. «Die beiden repräsentieren die schlimmste Art traditioneller Politik und Regierungsführung in der Geschichte unserer Nation», teilte die Menschenrechtsgruppe Karapatan mit. «Wir fordern daher das philippinische Volk auf, das notorische Tandem entschieden abzulehnen und sich gegen eine mögliche weitere Unterdrückung und Verletzung der Bürgerrechte zu stellen.»
Das definitive Wahlresultat wird vom nationalen Kongress Ende Mai verkündet. Am strahlenden Sieger der Wahl dürfte sich aber nichts mehr ändern. Wie sich das Land unter Marcos Junior entwickeln wird, ist offen. Experten befürchten, dass die Philippinen künftig noch autoritärer geführt werden könnten als bereits unter Vater Marcos Senior. Die Angst vor einer neuen Diktatur in den Philippinen wächst. (zis)