Video zeigt die Verhaftung
0:38
Ex-Präsident lir Meta:Video zeigt die Verhaftung

Ex-Präsident filmreif verhaftet
Albaniens Präsident Rama kämpft gegen die Korruption – dabei hat er selbst keine weisse Weste

Albaniens Ex-Präsident Ilir Meta wurde wegen Korruption festgenommen. Premierminister Edi Rama sitzt trotz zahlreicher Skandale in seiner Regierung weiterhin fest im Sattel, unterstützt von der EU. Wie lange kann das noch gutgehen?
Publiziert: 27.10.2024 um 13:18 Uhr
|
Aktualisiert: 27.10.2024 um 14:40 Uhr
Letzte Woche wurde der ehemalige albanische Präsident Ilir Meta verhaftet. Warum?
Foto: AFP

Auf einen Blick

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
BlickMitarbeiter06.JPG
Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Wegen Korruptionsvorwürfen von der Regierung gesucht, dann nach einer Verfolgungsjagd auf der Autobahn noch vor Ort festgenommen: Die Verhaftung des albanischen Ex-Präsidenten Ilir Meta (55) wirkt wie eine Szene aus einem Actionfilm. Am Montag wurde der Oppositionspolitiker auf dem Weg in sein Büro verhaftet. Der Vorwurf: Geldwäsche, Korruption und falsche Angaben von Vermögenswerten. Er ist nicht der erste Oppositionspolitiker, der dieses Jahr von der albanischen Regierung gesucht und festgesetzt wird. Was steckt dahinter?

Seit den frühen 1990er-Jahren prägt Meta die albanische Politik – als Aussenminister, Premierminister, Parlamentspräsident und zuletzt als Präsident von Albanien. Meta war viele Jahre lang führender Politiker der regierenden Sozialistischen Partei, zu der auch der amtierende Präsident, Edi Rama (60), gehört. 2004 verliess Meta die Sozialisten und gründete die «Sozialistische Bewegung für Integration», die heute «Partei der Freiheit» heisst.

1/7
Der albanische Präsident Edi Rama lässt viele ehemalige Regierungsmitglieder aufgrund von Korruptionsvorwürfen verhaften.
Foto: Anadolu via Getty Images

Meta ist nicht der erste Oppositionspolitiker, der in letzter Zeit durch die Agenten der «Sonderstaatsanwaltschaft gegen organisierte Kriminalität und Korruption» verhaftet wurde. Am Wochenende wurde Jurgis Cyrbja (39), ehemaliger Abgeordneter der sozialistischen Partei, verhaftet. Der Ex-Finanzminister der Sozialisten, Arben Ahmetaj (55), floh im Februar in die Schweiz. Im September wurde der Vorsitzende der oppositionellen Demokratischen Partei, Sali Berisha (80), wegen Korruptionsvorwürfen angeklagt. Auch in Ramas eigener Partei, den Sozialisten, gibt es Vorfälle: Ein Minister wurde wegen Korruption zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, ein anderer wurde festgenommen und wartet noch auf seinen Prozess.

Albanien muss Korruption in den Griff bekommen

Hat Albanien also endlich der Korruption den Kampf angesagt? Schliesslich steht das Thema ganz weit oben auf der Agenda der albanischen Regierung – bis 2030 möchte das Land der EU beigetreten sein. Albanien erhielt mehr internationale Hilfe zur Bekämpfung der Korruption, zur Entwicklung einer unabhängigen Zivilgesellschaft und unabhängiger Medien sowie zur Stärkung der verantwortungsvollen Staatsführung als jedes andere Land in Mittel- und Osteuropa. Das berichtete die Plattform Balkan Insight im Juli.

Doch im Sommer 2024 fällte das US-Aussenministerium in einem Bericht ein hartes Urteil: Korruption bei der staatlichen Auftragsvergabe sei nach wie vor «weit verbreitet», so der Bericht, der Investoren zitiert, die von «Fällen staatlicher Korruption berichten, die Investitionen in Albanien verzögern und verhindern». Und noch viel schlimmer für Albanien: «Korruption gab es in allen Bereichen und auf allen Ebenen der Regierung.» Auf allen Ebenen. Das heisst: auch an der Spitze.

Tatsächlich behaupten Ramas politische Gegner, der langjährige Ministerpräsident habe das Land in eine von Drogengeldern durchzogene Autokratie verwandelt. Oder genauer gesagt: Er habe den Aufstieg der organisierten Kriminalität geduldet. Rama weist die Vorwürfe zurück. Berisha und Meta fordern seit über einem Jahr den Rücktritt der Regierung und werfen ihr Korruption, Verbindungen zum organisierten Verbrechen und eine schlechte Wirtschaftspolitik vor.

Rama ist EU-Liebling – wurde ein Auge zugedrückt?

Wie sieht Rama die ganze Sache? Im Juni wurde der albanische Präsident von einem italienischen Journalisten gefragt, wie es möglich sei, dass ein Mitglied seines engsten Kreises nach dem anderen, darunter mehrere Minister, wegen Korruption verhaftet wurde, er aber immer noch im Amt sei? Die kühle Antwort des albanischen Premierministers: «In jedem Wald gibt es Schweine.»

Es gibt aber noch eine andere Antwort auf die Frage, weshalb Rama noch nicht in die Mangel genommen wurde: Er ist der Liebling der EU. Im Januar war er Ehrengast des CSU-Gipfels in Bayern. Im Mai sprach er gemeinsam mit dem deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck (55) in Aachen. Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni (47) durfte in seiner privaten Villa ihren Familienurlaub verbringen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) spricht Rama mit «lieber Edi» an.

Frauke Seebass, Balkan-Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, erklärte gegenüber dem «Spiegel»: «Man muss das Phänomen Rama in einem grösseren Zusammenhang sehen. Aus Sicht der EU handelt es sich um einen geschäftsmässigen Ansatz zur Stabilisierung des Westbalkans. Anders als etwa Aleksandar Vucic (54) in Serbien, gilt Rama nicht als antieuropäisch und ist viel einfacher zu handhaben.» Die Konsequenz: «Deshalb hat man sich entschieden, ein Auge zuzudrücken, oder vielleicht auch zwei.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?